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Einführung in die Geschichte der Weberei
Teil 2
Aus byzantinischer Zeit (um 600 n.Chr.) kennt man verschiedene Abbildungen eines "Grubenwebstuhls", der eine Weiterentwicklung der vorgenannten Webeinrichtung sein muß. Die zu Schäften veränderten Litzenstäbe sind mit Schüren, die über Rollen laufen, miteinander verbunden. Wird ein Schaft nach unten gezogen, geht der andere nach oben. Mit Schnurschlaufen nach unten kann die Bewegung mit den Füßen gesteuert werden. Um für die Beine die nötige Bewegungsfreiheit zum Treten zu bekommen, sitzt der Webende an der Kante einer Erdgrube.
Dazu kommt das Webriet und später auch das Weberschiffchen. Weder das europäische noch das afrikanische Webgerät hatte eine Vorrichtung, die Längsfäden beim Weben parallel zu halten, dies war der Kunstfertigkeit des Webenden überlassen. Nun hatte man einen Kamm aus fein gespaltenem Riet (oder Bambus) mit dem nicht nur die Längsfäden in ihrer Lage gehalten wurden, sondern auch der Eintrag gleichmäßig an das fertige Gewebe gedrückt werden konnte. Zunächst hielt man es noch in der Hand.
Der Querfaden wurde bislang auf einen langen Stab gewickelt, um ihn durch die Kette zu schieben. Nun kam er auf eine Spule, die im Weberschiffchen steckte. Der Faden zog sich fortlaufend ab, man konnte schneller weben. Ein Webgerüst war immer noch nicht vorhanden.
Etwa in dieser Form gelangte die Webvorrichtung nach Europa. Im Nahen Osten wird auch heute noch auf diesem Grubenwebstuhl gearbeitet.

Inzwischen bildeten sich auch in Mitteleuropa Städtekulturen heran. Die Umstrukturierung der Lebensform vom Bauer, d.h. vornehmlich Leibeigenen, zum Städter und freien Bürger machte die Menschen aufgeschlossen für technische Neuerungen. Der Einfluß der Klöster als Anregungszentren einerseits, und die Spezialisierung zum Handwerk andererseits, waren gute Voraussetzungen für die Weiterentwicklung des Webgerätes durch die Verschmelzung der verschiedenen Ideen miteinander. Hier entstand der Webstuhl im eigentlichen Wortsinn.

Neben den Italienern und Spaniern waren vor allem die Flamen als ausgezeichnete Weber bekannt, deren Ruf vor allem auf ihrer technischen Überlegenheit basierte. Hier dürften die Schwerpunkte der Entwicklungsarbeit zum Trittwebstuhl gelegen haben.
Die politischen Wirren und Schwierigkeiten der mittelalterlichen Niederlande und Lothringens zwangen die Einwohner immer wieder zur Auswanderung in die Nachbarländer, deren Gewerbe wiederum durch die hereinströmenden flämischen Weber belebt und gefördert wurde.
Hans Weber, um 1425, Trittwebstuhl, (die Schäfte sind an der Decke, die Tritte am Fußboden befestigt) eine Abbildung aus dem Hausbuch der Zwölfbruderstiftung zu Nürnberg,, Stadtbibliothek Nürnberg (Foto: Amt für Hochbauwesen, Nürnberg)
Aus einem Manuskript des Triniti College in Cambridge/England (um 1200) kennt man den frühen Trittwebstuhl. Hier ist zum erstenmal die Kette auf eine Walze gewickelt. In einer Übergangsperiode war sie wohl zum Zopf aufgehäkelt, "gekettelt" und an einem einzigen Pflock hinten am Webgestell befestigt. Nachweise dieser Art gibt es u.a. bei finnisch-urgischen Völkern Osteuropas.

In Italien entstand nur wenig später das Relief von Andre Pisano. Auch aus Deutschland gibt es ab dem 14. Jahrhundert Abbildungen dieser Art, so im Haus der Kunkel in Konstanz (um 1310) oder dem Hausbuch der Zwölfbruderstiftung in Nürnberg und andere mehr.

Trittwebstuhl um 1513, aus dem Hausbuch der Landauerschen Stiftung, Nürnberg,
Stadtbibliothek Nürnberg, (Foto: Amt für Hochbauwesen Nürnberg)
Ist eine technische Konstruktion erst einmal in der Grundkonzeption vorhanden, ist das Addieren von weiteren Hilfsmitteln eine Frage der Zeit. Zu den Leinwand- und Köperstoffen kamen Damaste, der Zampelstuhl taucht auf zum Weben von Damast, Samt und Brokat in ornamentaler, großflächiger Musterung. Aus den einfachen Rollenzügen wurden Hebelzüge, um ein exaktes Weben zu erleichtern. Eine genaue Zeitangabe der Entstehung von Neuerungen oder der Name ihres Erfinders, ist für das ganze Mittelalter nicht möglich.

Erst seit Beginn der Neuzeit gibt es Aufzeichnungen dafür. So erfand 1733 der Engländer John Kay die Schnellade. Das bisher von Hand geworfene Weberschiffchen konnte jetzt mit Schnur und Treiber von einer Seite zur anderen gezogen bzw. geschlagen werden. Eine wesentliche Rationalisierung der Arbeit und die Voraussetzung für ihre Mechanisierung.

1785 baute John Cartwright, ebenfalls in England, den ersten mechanischen Webstuhl, der allerdings noch nicht eingesetzt wurde. Erst eine Erfindung von 1830 brachte den endgültigen Durchbruch zur mechanischen Weberei., die sich im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einer neuen Industrie entwickelte. Vorangegangen war die Erfindung der Dampfmaschine von James Watt, ohne die der mechanische Antrieb (über Transmission) nicht möglich gewesen wäre. In den ersten Jahrzehnten konnte allerdings nur Baumwolle auf den neuen Webstühlen verarbeitet werden.

Mechanische Weberei um 1840 (Foto Handke, Bernek)

1805 entstand in Frankreich durch Josef Maria Jacquard der nach ihm benannte Jacquardwebstuhl, bei dem die Zugvorrichtung zur Fachöffnung mit Lochkarten gesteuert wurde. So konnten erstmals Damaste genau so schnell wie einfache Muster gewebt werden. (Es war das erste Lochkartensystem.)

Auch in der Spinnerei fand eine Entwicklung statt. Spinnen war immer gigantische Arbeit gewesen. Ein Weber konnte das Garn von mindestens zehn Spinnerinnen verarbeiten. Die Spinnerei war zwar ein Teil des Handwerks, wurde jedoch sehr lange, bis zur endgültigen Mechanisierung, (also bis ins 20. Jahrhundert hinein) im wesentlichen als Heimarbeit betrieben. Die Handwerksweber kauften das Material oder ließen gegen Lohn spinnen. Bis weit ins Mittelalter hinein wurde ausschließlich mit der Spindel gesponnen.

Bretonin beim Wolle Spinnen mit der Spindel. (Repro)

1298 wurde zum ersten mal, in den Zunftvorschriften der Stadt Speyer, ein Spinnrad erwähnt, wobei es sich um ein Hochrad handelt. Die Spindel ist liegend in einem Gestell befestigt und wird mit einem großen Rad angetrieben, das mit der Hand in Bewegung gesetzt wird.

Im 16. Jahrhundert wurde dann - in Deutschland, das Flügelspinnrad erfunden, bei dem das Rad mit dem Fuß in Bewegung gesetzt wird und ein "Flügel", der um die Spule reicht, das gesponnene Garn aufwindet.

Wolle spinnende Schottin am Hochrad mit liegender Spindel und Handrad. (Repro)

1767 konstruierte der Engländer James Hargreaves eine Spinnmaschine, die er "Spinning Jenny" nannte.
Sein Landsmann Richard Arkwrigh ließ 1769 eine Bessere, die "Waterframe" patentieren, und 1775 baute Samuel Crompton, auch Engländer, aus den beiden Vorgängern die "Mule Jenny".
Mit den Spinnmaschinen war es erstmals möglich, Baumwolle leicht zu verarbeiten. Bis dahin war es ein schwierig zu verspinnender Rohstoff gewesen, weil seine Fasern relativ kurz sind. Bekannt war die Baumwolle schon im Altertum, sie wuchs in Indien wild und kam auch schon seit dem Mittelalter auf den üblichen Handelsstraßen nach Europa, doch erst jetzt gewann sie an Bedeutung.

Wolle spinnende Frau am Flügelspinnrad. (Foto: F.Speckmann)
Zudem baute Ely Withney, ein Amerikaner, 1792 die erste Baumwollentkernungsmaschine, mit der die Samen von den Fasern getrennt werden konnten. Danach entstanden in wenigen Jahrzehnten vor allem auf dem amerikanischen Kontinent, doch auch in Afrika und Asien, Baumwollplantagen, die diesen Rohstoff in Mengen zu erzeugen begannen und damals vorwiegend nach Europa, zunächst nach England lieferten.

Beinahe gleichzeitig (1797) brachte der schottische Siedler John McArthur die ersten Merinoschafe nach Australien, das daraufhin, zusammen mit Neuseeland, bald zum bedeutendsten Wollieferanten der Erde wurde. Heute gibt es dort ungefähr 180 Millionen Schafe (Stand um 1980).
Anfang des 19. Jahrhunderts, bevor es die australische Wolle auf dem europäischen Markt gab, kostete ein Kilo ungewaschene Rohwolle das ungefähr zehnfache der gleichen Menge Fleisch. Heute, legt man dieselbe Berechnung zu Grunde, ist es umgekehrt.
Doch die Einfuhr australischer Wolle und die Baumwollproduktion sind nicht die einzige Ursache für die heutigen, niedrigen Textilpreise. Durch die Erfindung der Chemiefaser nach einer Reihe von Forschungen verschiedener Leute zu Beginn des 20. Jahrhunderts eröffnete sich eine weitere Quelle der Faserrohstoff Erzeugung. Synthetische Fasern wurden zunächst in Seidencharakter, dann in Wollimitation und heute in jeder beliebigen Form hergestellt.

1869 entdeckten die beiden Chemiker Graebe und Liebermann und 1880 v. Baeyer in Deutschland die Möglichkeit, aus Teerstoffen Farben herzustellen, mit denen es möglich war, Textilien jeder Art einzufärben.
Seit dem Altertum wurden bestimmte Pflanzen zum Färben von Wolle, Seide und in begrenztem Maße auch Leinen und Baumwolle verwendet. Im Laufe des 18. Jahrhunderts hatte man gelernt, aus der Auskochung von Pfarbpflanzen Extrakte zu gewinnen, doch war der Farbstoff immer noch rar und teuer. Die Anilin- oder Teerfarben (benannt nach einem Forschungsprodukt des Chemikers Runge aus 1834) konnten erstmals in großen Mengen und billig produziert werden. Sie verdrängten schnell die Pflanzenfarben, obwohl sie zu Anfang weder in der Schönheit der Farbe noch in Echtheit und Qualität an diese herankamen. Diese guten Eigenschaften konnten erst im Laufe vieler Jahrzehnte entwickelt werden.

In Laufe des 19. Jahrhunderts entstanden Maschinenfabriken für Webstühle, auch in Deutschland, die es möglich machten, auch Wolle und das für die Maschine schwierig zu verarbeitende Leinen, ab 1880 sogar Seide, mechanisch zu weben. In der Anfangsphase kam die Qualität der mit Maschine gewebten Ware nicht an die Güte der Handgewebe heran, doch im Laufe der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts konnten die Konstrukteure der Webstühle auch diesen Mangel ausgleichen. Seither fand eine ständige Weiterentwicklung des mechanischen Webstuhls statt.

 

. . . und wie die Menschen damit umgingen.
In den Mythen der Antike war Weben das Sinnbild für das Denkvermögen des Menschen. Der Faden oder Gedankenfaden wird gesponnen und sinnreich verwebt zu einem Schicksalsteppich. Aus dem Muster der Verflechtung werden Zusammenhänge gesehen die Klugheit offenbaren. So soll die Erdenmutter Rhea-Kybele den Phrygiern (Ph. lag im östlichen Kleinasien) , die als die ersten Teppichweber galten, das Weben gelehrt haben. Die Göttin Athene ist Beschützerin der webenden Frauen und Weberin zugleich. Die nordischen Nornen spinnen den Gedankenfaden, die Walküren verweben ihn zu menschlichem Geschick.
Homer bescheibt in der Ilias und Odyssee die wichtigsten Frauengestalten meistens webend. So die Halbgöttin Circe, Odysseus Frau Penelope, auch Helena oder Hektors Frau Andromache u.a. Ähnliches findet sich in der altgermanischen Edda. Hier ist es Gudrun, die Bildteppiche webt.
Fraglos ist zum Ordnen von Fäden, dem Verkreuzen zu einem bestimmten Muster, logische Gedankenarbeit und Selbstdisziplin notwendig. Damit ist nicht Weben mit einer komplizierten technischen Vorrichtung gemeint. Die technischen Hilfsmittel waren z.Zt. der Entstehung der Mythen denkbar einfach. In Hellas war der Gewichtswebstuhl in Gebrauch. Trotz des primitiven Gerätes war die Webkultur hoch entwickelt. Aus Griechenland sind unter anderem feine, ja hauchzarte Gewebe bekannt, wie sie heute mit der Maschine und großem technischen Aufwand kaum hergestellt werden können.
Das Weben solcher Stoffe war eine Kunst, die unendliche Geduld, Fingerspitzengefühl und Intelligenz erforderte. Die Herstellung eines größeren Kleidungsstückes konnte sich über Monate, evtl. sogar Jahre hinziehen. Verzierte Gewebe setzten auch künstlerisches Gestaltungsvermögen voraus. Entsprechend allen diesen Anforderungen, die an die Webenden gestellt waren, stand das Weben im Altertum in hohem Ansehen.

Spinnen und Weben war zunächst Frauenarbeit und im Lebensbereich jeder Familie fest verankert; in allen Kulturen der Welt. Das änderte sich immer dann, wenn die Weberei zum Handwerk wurde. Dann begannen auch die Männer zu weben und eine technische Weiterentwicklung fand statt. In den verschiedenen Kulturkreisen geschah das zu unterschiedlichen Zeiten. So webten in Ägypten an den Hochwebstühlen bereits Männer. Die Bilder lassen auf Werkstätten schließen bzw. auf ein bestehendes Handwerk. Auch in den östlichen Mittelmeerländern kennt man den Weber als Handwerker schon in antiker Zeit.

Über die Verhältnisse in Mitteleuropa gibt es erst vom Mittelalter an schriftliche Belege, doch waren es zunächst auch hier ausschließlich Frauen, die den textilen Bereich bearbeiteten.
Zur Zeit Karls des Großen (768 -814) waren die Höfe bzw. die damals in Deutschland lebenden Sippenverbände noch autark. Der Fürst oder Lehnsherr bekam von seinen leibeigenen Familien u.a. auch Stoff als Abgabe geliefert, oder am Hof war ein Webhaus, wo Frauen ihren Frondienst mit Spinnen und Weben ableisten mußten.

Eine Umwandlung fand statt, als sich nach Gründung der Städte das Handwerk zu formieren begann. Die Männer hatten das Weben der Stoffe in die Hand genommen, der Trittwebstuhl wurde entwickelt. Dies soll nicht heißen, daß Frauen nicht mehr gewebt haben. Sie wurden jedoch die Untergebenen, die nicht mehr selbständig und frei entscheiden konnten. Eine Frau konnte keinen Handwerksbetrieb führen. Die Arbeit des Spinnens verblieb weiterhin in ihrer Hand, jedoch als Zubringerdienst.

Die Städtegründungen seit dem 10. Jahrhundert veränderten das Leben der Menschen grundlegend. Städter waren freie Bürger und nicht durch Leibeigenschaft an einen bestimmten Fürsten gebunden. So konnten die Menschen ihre Fähigkeiten frei entwickeln, so konnten sich neue Lebensformen entfalten.
Um ihren Lebensstandard zu sichern, schlossen sich die Handwerker zu Bruderschaften zusammen, um sich gegenseitig zu stützen. Erste urkundliche Erwähnungen dieser "Zünfte" gibt es aus dem 12. Jahrhundert, die älteste 1099 von der Weberzunft in Mainz. Die Einträge weisen darauf hin, daß die Vereinigungen schon früher bestanden haben. Die Zünfte waren vom Landesherren gestützte Organisationen mit festem Reglement. Im Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts entstanden in allen deutschen Städten Zünfte.

Die Zunftverfassungen regelten das gesamte Leben der Handwerker in strenge Formen und Regeln, die aus der damaligen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ordnung heraus entstanden waren. Wer einen Betrieb gründen wollte, mußte Meister sein d.h. einen Befähigungsnachweis erbringen. Der Qualitätsstandart der Erzeugnisse wurde streng überwacht, zu Anfang auch die Menge des Material, das verarbeitet werden durfte, damit alle eine gleichmäßige Beschäftigung hatten. Das textiles Material war bis ins 19. Jahrhundert hinein knapp und damit ein Engpaß. Die Zünfte hatten unter anderem auch das Recht auf eine Gerichtsbarkeit im Zivil- und Strafrecht.
Ein wichtiger Teil des Reglements galt der Ausbildung. Lehrling konnte nur werden, wer "sittlich würdig" war, also von ehelicher Geburt und ehrsame Bürger zu Eltern hatte, am besten Meister aus der eigenen Zunft.
Der Lehrling lebte im Meisterhaushalt. War er nach mehrjähriger Lehrzeit und der Abschlußprüfung "lediggesprochen" , mußte er für einige Jahre auf Wanderschaft.
Diese Wanderschaft war Pflicht für alle und bestens organisiert, so daß der Geselle nicht in Not geraten konnte, wenn er sich an die Regeln hielt. Es gab Herbergen, wo die Burschen unterkommen konnten, um sich eine Arbeit zu suchen. Fanden sie nichts, so mußten sie nach spätestens drei Tagen weiter. Fanden sie Arbeit, so lebten sie im Meisterhaushalt, durften aber nur eine bestimmte Zeit beschäftigt werden. Die Organisation war so aufgebaut, daß sich Bedarf und Nachfrage für die Arbeitskraft der Gesellen in etwa regelten. Diese Wanderschaften der Gesellen, die auf diese Weise in den unterschiedlichsten Werkstätten und Gegenden arbeiteten, trug dazu bei, daß das Handwerk eine neue Dimension an Kunstfertigkeit erreichte und sich neue Arbeitsformen in ganz Deutschland ausbreiten konnten.

Von Anbeginn an, seit sich das Handwerk formierte, gab es eine Spezialisierung der Weber in Fachgebiete, die sich am Material orientierten. Die wichtigsten Handwerker im Textilgewerbe waren die Wollweber oder Tuchmacher; es gab sie in jeder Stadt. Da die Zünfte schon im Laufe des Mittelalters durchsetzen konnten, daß Rohwolle nur noch in den Städten gewogen werden durfte, hatten die städtischen Handwerker bald den gesamten Einkauf und damit den Markt in die Hand bekommen. Die Tuchmacher waren angesehene Leute und stellten in manchen Städten den Löwenanteil der gesamten Handwerkerschaft. Wollstoffe waren im spätmittelalterlichen Deutschland das wichtigste Exportgut.

Die Leinenweberei stellt sich etwas anders dar. Die Herstellung der Leinenstoffe blieb sehr lange in der Hand der bäuerlichen Bevölkerung. Auch noch, nachdem sich auch in den Städten Leinweber niedergelassen hatten. Bis ins 19. Jahrhundert hinein webten ländliche Leinweber auch für den Verkauf nach außerhalb. Hier war und blieb Leinen ein hochgeschätztes Material. Die Leinweber in den Städten dagegen waren im Mittelalter nicht berechtigt, eine Zunft zu bilden. Mancherorts gehörten sie sogar zu den "unehrlichen" Berufen, wie z.B. auch die Abdecker, Gerichtsdiener, Totengräber, Nachtwächter, fahrende Gaugler usw. Leinwand wurde schlecht bezahlt, demzufolge waren die Leinweber sehr oft arme Leute. Im Laufe der Jahrhunderte bildeten sich Webzentren auch für Leinwandstoffe. Dort änderten sich die Verhältnisse etwas, vor allem, wenn es um Damaste ging, wie z.B. am Niederrhein und in Schlesien. Echte Damaste waren mit dem Zampelstuhl hergestellte, großflächig gemusterte Leinengewebe, vornehmlich Tafeltücher, die mit viel Zeitaufwand, für Adelige, Patrizier und wohlhabende Bürgern gewebt wurden.

Die Baumwolle ist kein einheimisches Material, mußte also über einen langen Weg zunächst aus dem Orient, meist über Italien und die Schweiz, eingeführt werden. Daher spielte sie als Rohmaterial erst ab dem 14. Jahrhundert eine gewisse Rolle in Mitteleuropa. Mit diesem Rohstoff entwickelte sich die Heimindustrie.
Händler importierten die Baumwolle auf ihre Kosten, wie z.B. Johannes Fugger aus Augsburg. Er war ein Leinweber, der vom Lande in die Stadt gekommen war, daher konnte er der Zunft nicht beitreten. So wagte er als erster in Deutschland um 1370 den Einkauf von größeren Mengen Rohbaumwolle, ließ diese in Lohnarbeit verspinnen und zu hochwertigem Barchent verweben. Das Verkaufen der Stoffe besorgte er dann selbst. Die Familie Fugger wurde damit reich. Willige Arbeiter fanden sich leicht. Es gab genug Arbeitskräfte und viele Menschen, die durch die Regeln der Zünfte im Abseits standen. Baumwolle unterlag keinerlei Arbeitsgesetzen oder Zunftregeln, sie durfte von jedem, der willig war, verarbeitet werden. So entstand das Verlagswesen.

Zahlungskräftige Händler, meist Patrizier, kauften das Rohmaterial, im Laufe der Zeit auch Rohwolle auf den städtischen Märkten, und beschäftigten Heimarbeiter, meist auf dem Lande, es zu verarbeiten, wobei Spinnen, Vorbereitungsarbeit und Weben jeweils von unterschiedlichen Leuten gemacht wurde. Es entstand so ein absolutes Kontrollsystem und eine immer größere Abhängigkeit der Arbeiter von den Verlegern, die das im Laufe der Zeit auch ausnutzten. In Deutschland entstand in verschiedenen Regionen textile Heimindustrie. Die ländliche Weberei war in diesen Gebieten darin aufgegangen, denn die Landbevölkerung stellte das Gros der Heimarbeiter. Doch auch in vielen, vor allem kleineren Städten, waren die Handwerksweber von den Verlegern abhängig geworden.

Im Laufe der Jahrhunderte erstarrten die Zunftregeln oder wurden in unsinniger Weise auf die Spitze getrieben. Sie waren löchrig geworden und ließen zu wenig Bewegungsfreiheit für den Einzelnen übrig. Ihre Gesetzgebung unterband inzwischen jeden neuen Impuls, so daß die Landesregierungen gegen Ende des 18. Jahrhunderts begannen, die Zünfte zu verbieten. Im Laufe des 19. Jahrhunderts lösten sich dann alle Zünfte auf. In diese Situation hinein kam die Erfindung des mechanischen Webstuhls.

Dies brachte die Weberfamilien zunächst in eine tiefe Krise, teilweise in bittere Armut, vor allem in den Regionen mit textiler Heimindustrie wie Schlesien, am Niederrhein oder im Frankenwald. Der aus England billig importierte Baumwollstoff und vor allem das billige mechanisch gesponnene Baumwollgarn überschwemmte den Markt und kam in Mode, so daß die Weber und die vielen Spinnerinnen in Deutschland ohne Arbeit blieben. Dazu kamen politische Krisen und Neuerungen, die die Menschen in Verzweiflung brachten. Viele kamen auch mit der Arbeit an den Maschinen nicht zurecht. So kam es zu verschiedenen Revolten, die bekannteste war die Revolution von 1848/49. Es dauerte fast ein ganzes Jahrhundert, bis das Gleichgewicht wieder hergestellt und die mechanische Textilindustrie etabliert war. Inzwischen war das Weberhandwerk in seiner traditionellen, über Jahrhunderte hin bestehenden Form verschwunden. Nur in einigen Gegenden auf dem Lande erhielt sich die Leinwandweberei in bäuerlichen Kreisen noch bis in die 1930er Jahre.