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Einführung in die
Geschichte der Weberei
Teil 2 |
Aus byzantinischer Zeit (um 600
n.Chr.) kennt man verschiedene Abbildungen eines
"Grubenwebstuhls", der eine Weiterentwicklung der
vorgenannten Webeinrichtung sein muß. Die zu Schäften
veränderten Litzenstäbe sind mit Schüren, die über
Rollen laufen, miteinander verbunden. Wird ein Schaft
nach unten gezogen, geht der andere nach oben. Mit
Schnurschlaufen nach unten kann die Bewegung mit den
Füßen gesteuert werden. Um für die Beine die nötige
Bewegungsfreiheit zum Treten zu bekommen, sitzt der
Webende an der Kante einer Erdgrube.
Dazu kommt das Webriet und später auch das
Weberschiffchen. Weder das europäische noch das
afrikanische Webgerät hatte eine Vorrichtung, die
Längsfäden beim Weben parallel zu halten, dies war der
Kunstfertigkeit des Webenden überlassen. Nun hatte man
einen Kamm aus fein gespaltenem Riet (oder Bambus) mit
dem nicht nur die Längsfäden in ihrer Lage gehalten
wurden, sondern auch der Eintrag gleichmäßig an das
fertige Gewebe gedrückt werden konnte. Zunächst hielt
man es noch in der Hand.
Der Querfaden wurde bislang auf einen langen Stab
gewickelt, um ihn durch die Kette zu schieben. Nun kam
er auf eine Spule, die im Weberschiffchen steckte. Der
Faden zog sich fortlaufend ab, man konnte schneller
weben. Ein Webgerüst war immer noch nicht vorhanden.
Etwa in dieser Form gelangte die Webvorrichtung nach
Europa. Im Nahen Osten wird auch heute noch auf diesem
Grubenwebstuhl gearbeitet.
Inzwischen bildeten sich auch in Mitteleuropa
Städtekulturen heran. Die Umstrukturierung der
Lebensform vom Bauer, d.h. vornehmlich Leibeigenen,
zum Städter und freien Bürger machte die Menschen
aufgeschlossen für technische Neuerungen. Der Einfluß
der Klöster als Anregungszentren einerseits, und die
Spezialisierung zum Handwerk andererseits, waren gute
Voraussetzungen für die Weiterentwicklung des
Webgerätes durch die Verschmelzung der verschiedenen
Ideen miteinander. Hier entstand der Webstuhl im
eigentlichen Wortsinn. |
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Neben den Italienern
und Spaniern waren vor allem die Flamen als
ausgezeichnete Weber bekannt, deren Ruf vor allem auf
ihrer technischen Überlegenheit basierte. Hier dürften
die Schwerpunkte der Entwicklungsarbeit zum
Trittwebstuhl gelegen haben.
Die politischen Wirren und Schwierigkeiten der
mittelalterlichen Niederlande und Lothringens zwangen
die Einwohner immer wieder zur Auswanderung in die
Nachbarländer, deren Gewerbe wiederum durch die
hereinströmenden flämischen Weber belebt und gefördert
wurde.
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Hans Weber, um 1425,
Trittwebstuhl, (die Schäfte sind an der Decke, die
Tritte am Fußboden befestigt) eine Abbildung aus dem
Hausbuch der Zwölfbruderstiftung zu Nürnberg,,
Stadtbibliothek Nürnberg (Foto: Amt für Hochbauwesen,
Nürnberg) |
Aus einem Manuskript
des Triniti College in Cambridge/England (um 1200)
kennt man den frühen Trittwebstuhl. Hier ist zum
erstenmal die Kette auf eine Walze gewickelt. In einer
Übergangsperiode war sie wohl zum Zopf aufgehäkelt, "gekettelt"
und an einem einzigen Pflock hinten am Webgestell
befestigt. Nachweise dieser Art gibt es u.a. bei
finnisch-urgischen Völkern Osteuropas.
In Italien entstand nur wenig später das Relief von
Andre Pisano. Auch aus Deutschland gibt es ab dem 14.
Jahrhundert Abbildungen dieser Art, so im Haus der
Kunkel in Konstanz (um 1310) oder dem Hausbuch der
Zwölfbruderstiftung in Nürnberg und andere mehr. |
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Trittwebstuhl um 1513, aus dem
Hausbuch der Landauerschen Stiftung, Nürnberg,
Stadtbibliothek Nürnberg, (Foto: Amt für Hochbauwesen
Nürnberg) |
Ist eine technische Konstruktion erst
einmal in der Grundkonzeption vorhanden, ist das
Addieren von weiteren Hilfsmitteln eine Frage der
Zeit. Zu den Leinwand- und Köperstoffen kamen Damaste,
der Zampelstuhl taucht auf zum Weben von Damast, Samt
und Brokat in ornamentaler, großflächiger Musterung.
Aus den einfachen Rollenzügen wurden Hebelzüge, um ein
exaktes Weben zu erleichtern. Eine genaue Zeitangabe
der Entstehung von Neuerungen oder der Name ihres
Erfinders, ist für das ganze Mittelalter nicht
möglich.
Erst seit Beginn der Neuzeit gibt es Aufzeichnungen
dafür. So erfand 1733 der Engländer John Kay die
Schnellade. Das bisher von Hand geworfene
Weberschiffchen konnte jetzt mit Schnur und Treiber
von einer Seite zur anderen gezogen bzw. geschlagen
werden. Eine wesentliche Rationalisierung der Arbeit
und die Voraussetzung für ihre Mechanisierung. |
1785 baute John Cartwright, ebenfalls
in England, den ersten mechanischen Webstuhl, der
allerdings noch nicht eingesetzt wurde. Erst eine
Erfindung von 1830 brachte den endgültigen Durchbruch
zur mechanischen Weberei., die sich im Laufe des 19.
Jahrhunderts zu einer neuen Industrie entwickelte.
Vorangegangen war die Erfindung der Dampfmaschine von
James Watt, ohne die der mechanische Antrieb (über
Transmission) nicht möglich gewesen wäre. In den
ersten Jahrzehnten konnte allerdings nur Baumwolle auf
den neuen Webstühlen verarbeitet werden. |
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Mechanische Weberei um 1840 (Foto
Handke, Bernek) |
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1805 entstand in Frankreich durch
Josef Maria Jacquard der nach ihm benannte
Jacquardwebstuhl, bei dem die Zugvorrichtung zur
Fachöffnung mit Lochkarten gesteuert wurde. So konnten
erstmals Damaste genau so schnell wie einfache Muster
gewebt werden. (Es war das erste Lochkartensystem.)
Auch in der Spinnerei fand eine Entwicklung statt.
Spinnen war immer gigantische Arbeit gewesen. Ein
Weber konnte das Garn von mindestens zehn Spinnerinnen
verarbeiten. Die Spinnerei war zwar ein Teil des
Handwerks, wurde jedoch sehr lange, bis zur
endgültigen Mechanisierung, (also bis ins 20.
Jahrhundert hinein) im wesentlichen als Heimarbeit
betrieben. Die Handwerksweber kauften das Material
oder ließen gegen Lohn spinnen. Bis weit ins
Mittelalter hinein wurde ausschließlich mit der
Spindel gesponnen.
Bretonin beim Wolle Spinnen mit der Spindel.
(Repro) |
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1298 wurde zum ersten mal, in den
Zunftvorschriften der Stadt Speyer, ein Spinnrad
erwähnt, wobei es sich um ein Hochrad handelt. Die
Spindel ist liegend in einem Gestell befestigt und
wird mit einem großen Rad angetrieben, das mit der
Hand in Bewegung gesetzt wird.
Im 16. Jahrhundert wurde dann - in Deutschland, das
Flügelspinnrad erfunden, bei dem das Rad mit dem Fuß
in Bewegung gesetzt wird und ein "Flügel", der um die
Spule reicht, das gesponnene Garn aufwindet.
Wolle spinnende Schottin am Hochrad mit liegender
Spindel und Handrad. (Repro) |
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1767 konstruierte der Engländer James
Hargreaves eine Spinnmaschine, die er "Spinning Jenny"
nannte.
Sein Landsmann Richard Arkwrigh ließ 1769 eine
Bessere, die "Waterframe" patentieren, und 1775 baute
Samuel Crompton, auch Engländer, aus den beiden
Vorgängern die "Mule Jenny".
Mit den Spinnmaschinen war es erstmals möglich,
Baumwolle leicht zu verarbeiten. Bis dahin war es ein
schwierig zu verspinnender Rohstoff gewesen, weil
seine Fasern relativ kurz sind. Bekannt war die
Baumwolle schon im Altertum, sie wuchs in Indien wild
und kam auch schon seit dem Mittelalter auf den
üblichen Handelsstraßen nach Europa, doch erst jetzt
gewann sie an Bedeutung.
Wolle spinnende Frau am Flügelspinnrad.
(Foto: F.Speckmann) |
Zudem baute Ely Withney, ein
Amerikaner, 1792 die erste
Baumwollentkernungsmaschine, mit der die Samen von den
Fasern getrennt werden konnten. Danach entstanden in
wenigen Jahrzehnten vor allem auf dem amerikanischen
Kontinent, doch auch in Afrika und Asien,
Baumwollplantagen, die diesen Rohstoff in Mengen zu
erzeugen begannen und damals vorwiegend nach Europa,
zunächst nach England lieferten.
Beinahe gleichzeitig (1797) brachte der schottische
Siedler John McArthur die ersten Merinoschafe nach
Australien, das daraufhin, zusammen mit Neuseeland,
bald zum bedeutendsten Wollieferanten der Erde wurde.
Heute gibt es dort ungefähr 180 Millionen Schafe
(Stand um 1980).
Anfang des 19. Jahrhunderts, bevor es die australische
Wolle auf dem europäischen Markt gab, kostete ein Kilo
ungewaschene Rohwolle das ungefähr zehnfache der
gleichen Menge Fleisch. Heute, legt man dieselbe
Berechnung zu Grunde, ist es umgekehrt.
Doch die Einfuhr australischer Wolle und die
Baumwollproduktion sind nicht die einzige Ursache für
die heutigen, niedrigen Textilpreise. Durch die
Erfindung der Chemiefaser nach einer Reihe von
Forschungen verschiedener Leute zu Beginn des 20.
Jahrhunderts eröffnete sich eine weitere Quelle der
Faserrohstoff Erzeugung. Synthetische Fasern wurden
zunächst in Seidencharakter, dann in Wollimitation und
heute in jeder beliebigen Form hergestellt.
1869 entdeckten die beiden Chemiker Graebe und
Liebermann und 1880 v. Baeyer in Deutschland die
Möglichkeit, aus Teerstoffen Farben herzustellen, mit
denen es möglich war, Textilien jeder Art einzufärben.
Seit dem Altertum wurden bestimmte Pflanzen zum Färben
von Wolle, Seide und in begrenztem Maße auch Leinen
und Baumwolle verwendet. Im Laufe des 18. Jahrhunderts
hatte man gelernt, aus der Auskochung von
Pfarbpflanzen Extrakte zu gewinnen, doch war der
Farbstoff immer noch rar und teuer. Die Anilin- oder
Teerfarben (benannt nach einem Forschungsprodukt des
Chemikers Runge aus 1834) konnten erstmals in großen
Mengen und billig produziert werden. Sie verdrängten
schnell die Pflanzenfarben, obwohl sie zu Anfang weder
in der Schönheit der Farbe noch in Echtheit und
Qualität an diese herankamen. Diese guten
Eigenschaften konnten erst im Laufe vieler Jahrzehnte
entwickelt werden.
In Laufe des 19. Jahrhunderts entstanden
Maschinenfabriken für Webstühle, auch in Deutschland,
die es möglich machten, auch Wolle und das für die
Maschine schwierig zu verarbeitende Leinen, ab 1880
sogar Seide, mechanisch zu weben. In der Anfangsphase
kam die Qualität der mit Maschine gewebten Ware nicht
an die Güte der Handgewebe heran, doch im Laufe der
ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts konnten die
Konstrukteure der Webstühle auch diesen Mangel
ausgleichen. Seither fand eine ständige
Weiterentwicklung des mechanischen Webstuhls statt.
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. . . und wie die Menschen damit
umgingen.
In den Mythen der Antike war Weben das Sinnbild für
das Denkvermögen des Menschen. Der Faden oder
Gedankenfaden wird gesponnen und sinnreich verwebt zu
einem Schicksalsteppich. Aus dem Muster der
Verflechtung werden Zusammenhänge gesehen die Klugheit
offenbaren. So soll die Erdenmutter Rhea-Kybele den
Phrygiern (Ph. lag im östlichen Kleinasien) , die als
die ersten Teppichweber galten, das Weben gelehrt
haben. Die Göttin Athene ist Beschützerin der webenden
Frauen und Weberin zugleich. Die nordischen Nornen
spinnen den Gedankenfaden, die Walküren verweben ihn
zu menschlichem Geschick.
Homer bescheibt in der Ilias und Odyssee die
wichtigsten Frauengestalten meistens webend. So die
Halbgöttin Circe, Odysseus Frau Penelope, auch Helena
oder Hektors Frau Andromache u.a. Ähnliches findet
sich in der altgermanischen Edda. Hier ist es Gudrun,
die Bildteppiche webt.
Fraglos ist zum Ordnen von Fäden, dem Verkreuzen zu
einem bestimmten Muster, logische Gedankenarbeit und
Selbstdisziplin notwendig. Damit ist nicht Weben mit
einer komplizierten technischen Vorrichtung gemeint.
Die technischen Hilfsmittel waren z.Zt. der Entstehung
der Mythen denkbar einfach. In Hellas war der
Gewichtswebstuhl in Gebrauch. Trotz des primitiven
Gerätes war die Webkultur hoch entwickelt. Aus
Griechenland sind unter anderem feine, ja hauchzarte
Gewebe bekannt, wie sie heute mit der Maschine und
großem technischen Aufwand kaum hergestellt werden
können.
Das Weben solcher Stoffe war eine Kunst, die
unendliche Geduld, Fingerspitzengefühl und Intelligenz
erforderte. Die Herstellung eines größeren
Kleidungsstückes konnte sich über Monate, evtl. sogar
Jahre hinziehen. Verzierte Gewebe setzten auch
künstlerisches Gestaltungsvermögen voraus.
Entsprechend allen diesen Anforderungen, die an die
Webenden gestellt waren, stand das Weben im Altertum
in hohem Ansehen.
Spinnen und Weben war zunächst Frauenarbeit und im
Lebensbereich jeder Familie fest verankert; in allen
Kulturen der Welt. Das änderte sich immer dann, wenn
die Weberei zum Handwerk wurde. Dann begannen auch die
Männer zu weben und eine technische Weiterentwicklung
fand statt. In den verschiedenen Kulturkreisen geschah
das zu unterschiedlichen Zeiten. So webten in Ägypten
an den Hochwebstühlen bereits Männer. Die Bilder
lassen auf Werkstätten schließen bzw. auf ein
bestehendes Handwerk. Auch in den östlichen
Mittelmeerländern kennt man den Weber als Handwerker
schon in antiker Zeit.
Über die Verhältnisse in Mitteleuropa gibt es erst
vom Mittelalter an schriftliche Belege, doch waren es
zunächst auch hier ausschließlich Frauen, die den
textilen Bereich bearbeiteten.
Zur Zeit Karls des Großen (768 -814) waren die Höfe
bzw. die damals in Deutschland lebenden Sippenverbände
noch autark. Der Fürst oder Lehnsherr bekam von seinen
leibeigenen Familien u.a. auch Stoff als Abgabe
geliefert, oder am Hof war ein Webhaus, wo Frauen
ihren Frondienst mit Spinnen und Weben ableisten
mußten.
Eine Umwandlung fand statt, als sich nach Gründung
der Städte das Handwerk zu formieren begann. Die
Männer hatten das Weben der Stoffe in die Hand
genommen, der Trittwebstuhl wurde entwickelt. Dies
soll nicht heißen, daß Frauen nicht mehr gewebt haben.
Sie wurden jedoch die Untergebenen, die nicht mehr
selbständig und frei entscheiden konnten. Eine Frau
konnte keinen Handwerksbetrieb führen. Die Arbeit des
Spinnens verblieb weiterhin in ihrer Hand, jedoch als
Zubringerdienst.
Die Städtegründungen seit dem 10. Jahrhundert
veränderten das Leben der Menschen grundlegend.
Städter waren freie Bürger und nicht durch
Leibeigenschaft an einen bestimmten Fürsten gebunden.
So konnten die Menschen ihre Fähigkeiten frei
entwickeln, so konnten sich neue Lebensformen
entfalten.
Um ihren Lebensstandard zu sichern, schlossen sich die
Handwerker zu Bruderschaften zusammen, um sich
gegenseitig zu stützen. Erste urkundliche Erwähnungen
dieser "Zünfte" gibt es aus dem 12. Jahrhundert, die
älteste 1099 von der Weberzunft in Mainz. Die Einträge
weisen darauf hin, daß die Vereinigungen schon früher
bestanden haben. Die Zünfte waren vom Landesherren
gestützte Organisationen mit festem Reglement. Im
Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts entstanden in allen
deutschen Städten Zünfte.
Die Zunftverfassungen regelten das gesamte Leben
der Handwerker in strenge Formen und Regeln, die aus
der damaligen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Ordnung heraus entstanden waren. Wer einen Betrieb
gründen wollte, mußte Meister sein d.h. einen
Befähigungsnachweis erbringen. Der Qualitätsstandart
der Erzeugnisse wurde streng überwacht, zu Anfang auch
die Menge des Material, das verarbeitet werden durfte,
damit alle eine gleichmäßige Beschäftigung hatten. Das
textiles Material war bis ins 19. Jahrhundert hinein
knapp und damit ein Engpaß. Die Zünfte hatten unter
anderem auch das Recht auf eine Gerichtsbarkeit im
Zivil- und Strafrecht.
Ein wichtiger Teil des Reglements galt der Ausbildung.
Lehrling konnte nur werden, wer "sittlich würdig" war,
also von ehelicher Geburt und ehrsame Bürger zu Eltern
hatte, am besten Meister aus der eigenen Zunft.
Der Lehrling lebte im Meisterhaushalt. War er nach
mehrjähriger Lehrzeit und der Abschlußprüfung
"lediggesprochen" , mußte er für einige Jahre auf
Wanderschaft.
Diese Wanderschaft war Pflicht für alle und bestens
organisiert, so daß der Geselle nicht in Not geraten
konnte, wenn er sich an die Regeln hielt. Es gab
Herbergen, wo die Burschen unterkommen konnten, um
sich eine Arbeit zu suchen. Fanden sie nichts, so
mußten sie nach spätestens drei Tagen weiter. Fanden
sie Arbeit, so lebten sie im Meisterhaushalt, durften
aber nur eine bestimmte Zeit beschäftigt werden. Die
Organisation war so aufgebaut, daß sich Bedarf und
Nachfrage für die Arbeitskraft der Gesellen in etwa
regelten. Diese Wanderschaften der Gesellen, die auf
diese Weise in den unterschiedlichsten Werkstätten und
Gegenden arbeiteten, trug dazu bei, daß das Handwerk
eine neue Dimension an Kunstfertigkeit erreichte und
sich neue Arbeitsformen in ganz Deutschland ausbreiten
konnten.
Von Anbeginn an, seit sich das Handwerk formierte,
gab es eine Spezialisierung der Weber in Fachgebiete,
die sich am Material orientierten. Die wichtigsten
Handwerker im Textilgewerbe waren die Wollweber oder
Tuchmacher; es gab sie in jeder Stadt. Da die Zünfte
schon im Laufe des Mittelalters durchsetzen konnten,
daß Rohwolle nur noch in den Städten gewogen werden
durfte, hatten die städtischen Handwerker bald den
gesamten Einkauf und damit den Markt in die Hand
bekommen. Die Tuchmacher waren angesehene Leute und
stellten in manchen Städten den Löwenanteil der
gesamten Handwerkerschaft. Wollstoffe waren im
spätmittelalterlichen Deutschland das wichtigste
Exportgut.
Die Leinenweberei stellt sich etwas anders dar. Die
Herstellung der Leinenstoffe blieb sehr lange in der
Hand der bäuerlichen Bevölkerung. Auch noch, nachdem
sich auch in den Städten Leinweber niedergelassen
hatten. Bis ins 19. Jahrhundert hinein webten
ländliche Leinweber auch für den Verkauf nach
außerhalb. Hier war und blieb Leinen ein
hochgeschätztes Material. Die Leinweber in den Städten
dagegen waren im Mittelalter nicht berechtigt, eine
Zunft zu bilden. Mancherorts gehörten sie sogar zu den
"unehrlichen" Berufen, wie z.B. auch die Abdecker,
Gerichtsdiener, Totengräber, Nachtwächter, fahrende
Gaugler usw. Leinwand wurde schlecht bezahlt,
demzufolge waren die Leinweber sehr oft arme Leute. Im
Laufe der Jahrhunderte bildeten sich Webzentren auch
für Leinwandstoffe. Dort änderten sich die
Verhältnisse etwas, vor allem, wenn es um Damaste
ging, wie z.B. am Niederrhein und in Schlesien. Echte
Damaste waren mit dem Zampelstuhl hergestellte,
großflächig gemusterte Leinengewebe, vornehmlich
Tafeltücher, die mit viel Zeitaufwand, für Adelige,
Patrizier und wohlhabende Bürgern gewebt wurden.
Die Baumwolle ist kein einheimisches Material,
mußte also über einen langen Weg zunächst aus dem
Orient, meist über Italien und die Schweiz, eingeführt
werden. Daher spielte sie als Rohmaterial erst ab dem
14. Jahrhundert eine gewisse Rolle in Mitteleuropa.
Mit diesem Rohstoff entwickelte sich die
Heimindustrie.
Händler importierten die Baumwolle auf ihre Kosten,
wie z.B. Johannes Fugger aus Augsburg. Er war ein
Leinweber, der vom Lande in die Stadt gekommen war,
daher konnte er der Zunft nicht beitreten. So wagte er
als erster in Deutschland um 1370 den Einkauf von
größeren Mengen Rohbaumwolle, ließ diese in Lohnarbeit
verspinnen und zu hochwertigem Barchent verweben. Das
Verkaufen der Stoffe besorgte er dann selbst. Die
Familie Fugger wurde damit reich. Willige Arbeiter
fanden sich leicht. Es gab genug Arbeitskräfte und
viele Menschen, die durch die Regeln der Zünfte im
Abseits standen. Baumwolle unterlag keinerlei
Arbeitsgesetzen oder Zunftregeln, sie durfte von
jedem, der willig war, verarbeitet werden. So entstand
das Verlagswesen.
Zahlungskräftige Händler, meist Patrizier, kauften
das Rohmaterial, im Laufe der Zeit auch Rohwolle auf
den städtischen Märkten, und beschäftigten
Heimarbeiter, meist auf dem Lande, es zu verarbeiten,
wobei Spinnen, Vorbereitungsarbeit und Weben jeweils
von unterschiedlichen Leuten gemacht wurde. Es
entstand so ein absolutes Kontrollsystem und eine
immer größere Abhängigkeit der Arbeiter von den
Verlegern, die das im Laufe der Zeit auch ausnutzten.
In Deutschland entstand in verschiedenen Regionen
textile Heimindustrie. Die ländliche Weberei war in
diesen Gebieten darin aufgegangen, denn die
Landbevölkerung stellte das Gros der Heimarbeiter.
Doch auch in vielen, vor allem kleineren Städten,
waren die Handwerksweber von den Verlegern abhängig
geworden.
Im Laufe der Jahrhunderte erstarrten die
Zunftregeln oder wurden in unsinniger Weise auf die
Spitze getrieben. Sie waren löchrig geworden und
ließen zu wenig Bewegungsfreiheit für den Einzelnen
übrig. Ihre Gesetzgebung unterband inzwischen jeden
neuen Impuls, so daß die Landesregierungen gegen Ende
des 18. Jahrhunderts begannen, die Zünfte zu
verbieten. Im Laufe des 19. Jahrhunderts lösten sich
dann alle Zünfte auf. In diese Situation hinein kam
die Erfindung des mechanischen Webstuhls.
Dies brachte die Weberfamilien zunächst in eine
tiefe Krise, teilweise in bittere Armut, vor allem in
den Regionen mit textiler Heimindustrie wie Schlesien,
am Niederrhein oder im Frankenwald. Der aus England
billig importierte Baumwollstoff und vor allem das
billige mechanisch gesponnene Baumwollgarn
überschwemmte den Markt und kam in Mode, so daß die
Weber und die vielen Spinnerinnen in Deutschland ohne
Arbeit blieben. Dazu kamen politische Krisen und
Neuerungen, die die Menschen in Verzweiflung brachten.
Viele kamen auch mit der Arbeit an den Maschinen nicht
zurecht. So kam es zu verschiedenen Revolten, die
bekannteste war die Revolution von 1848/49. Es dauerte
fast ein ganzes Jahrhundert, bis das Gleichgewicht
wieder hergestellt und die mechanische Textilindustrie
etabliert war. Inzwischen war das Weberhandwerk in
seiner traditionellen, über Jahrhunderte hin
bestehenden Form verschwunden. Nur in einigen Gegenden
auf dem Lande erhielt sich die Leinwandweberei in
bäuerlichen Kreisen noch bis in die 1930er Jahre. |
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