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Einführung in die Geschichte der Weberei
Teil 1
Die technische Entwicklung . . .
Das Verkreuzen von flexiblen Fäden, Weben, gehört zu den wichtigen und einflußreichen Erfindungen in der Entwicklung unserer Kultur. Die Frage nach dem Beginn der Weberei ist nicht zu beantworten, da die Erforschung durch die Vergänglichkeit des Materials sehr erschwert ist. Immerhin gibt es Anhaltspunkte. Man weiß heute, zu welchem Zeitpunkt spätestens gewebt wurde, mit welchem Material und wie das Webgerät, nach Abschluß einer gewissen Entwicklungsphase, aussah.

Das ineinander Flechten von Zweigen und Ästen zu einem festen Verband in Webart wurde von den Menschen schon früh ausgeübt, daraus entwickelte sich zunächst die Korbflechterei.
Vom Flechten eines Korbes bis zum Verweben einer flexiblen Materie war ein großer Schritt. Es gehörte dazu das Fasermaterial, das nicht ohne Aufbereitungsprozess von der Natur geliefert wurde, dann mußten diese Fasern zu einem endlosen Faden gesponnen und zum Schluß verwebt werden. Mit der Lösung dieses Problems setzte die Webkultur ein. Das Bedürfnis nach Stoffen kam vermutlich mit dem Ackerbau, d.h. als die Menschen aufhörten, von der Jagd zu leben und begannen, ihr Getreide anzubauen.

Es gibt mehrere Urformen von Webgeräten auf der Welt. Das technische Problem beim Weben ist das Spannen des einen Fadensystems, damit das andere rechtwinklig mit diesem verkreuzt werden kann. Für dieses Spannen der Fäden gibt es natürlich vielerlei Lösungen und es ist nachvollziehbar, daß in den einzelnen Kontinenten, unabhängig voneinander und zu völlig verschiedenen Zeiten, dieses Problem angegangen wurde.
Drei dieser Urwebgeräte, die auf die Entwicklung des heutigen Webstuhles den entscheidenden Einfluß ausübten, sollen hier besprochen werden..

Für unseren Kulturkreis konnte das Vorhandensein des Gewichtswebstuhles nachgewiesen werden. Es handelte sich dabei um ein fast senkrecht stehendes Gerüst, bei dem die Spannfäden von einem Querbalken am Kopfende der Standpfosten aus herunter hingen und unten mit Gewichten beschwert und straff gehalten wurden. Das Weben erfolgte von oben nach unten. Es wurde im Stehen gewebt, d.h. man ging hin und her beim Einlegen des Querfadens. Dies ermöglichte auch die Herstellung von breiten Stoffen. Das fertig Gewebte wurde auf den oberen Querbalken aufgewickelt. Die Gewichte unten faßten eine kleine Fadenreserve.
Man webte abgepaßte Einzelstücke, die mit wenig Näharbeit zu Kleidung oder Heimtextilien wurden

Gewichtswebstuhl, Rekonstruktion eines Webstuhles aus der Bronzezeit. Textilmuseum Neumünster,(Foto: K. Tidow, Neumünster)

Die Webtechnik kam vermutlich mit Ackerbau und Viehzucht aus dem Osten nach Europa. Der erste Nachweis für das Vorhandensein dieses Webgerätes fand sich bei den Ausgrabungen der süddeutschen und schweizerischen Pfahlbausiedlungen aus der Jungsteinzeit (ca. 3000 v. Chr.). Bis in römische Zeit war es wohl das einzig benutzte Webgerät Mitteleuropas. Um 1000 n. Chr. ist es aus dem westlichen Kulturbereich verschwunden.

Bezüglich des verwendeten Materials kristallisierte sich bei den Untersuchungen heraus, daß in den Pfahlbausiedlungen vornehmlich eine Pflanzenfaser mit Flachscharakter, dem heutigen Leinen ähnlich, verarbeitet wurde. Der Aufbereitungsprozess von Flachs bis zur verspinnbaren Faser ist seit alters her gleich geblieben, nur die Mittel dazu haben sich verändert.
Das Schaf gehörte zu den früh vom Menschen domestizierten Tieren, doch zunächst als Fleischlieferant. Erst später, gegen Ende des Neolitikums und verstärkt in der Bronzezeit, wurde auch die Schafwolle verarbeitet. Die Urschafwolle war noch von anderer Beschaffenheit als die heutige, die das Ergebnis von Kreuzungen verschiedenster Schafrassen durch viele Jahrhunderte ist.

Aus der 11. und 12. Dynastie (etwa 2000 v. Chr.) Ägyptens gibt es Wandbilder und Grabbeigaben mit webenden Frauen. Gewebe sind schon aus wesentlich früherer Zeit bekannt, doch hat man keine älteren Aufschlüsse über die verwendete Webeinrichtung. Bilder und Grabbeigaben vermitteln einen Eindruck dieses zweiten Urwebgerätes.
 Die Längsfäden sind zwischen zwei Querbalken endlos hin und hergehend ausgelegt, die dann entlang der Erde an vierPflöcken mit Stricken gespannt werden. Die webenden Frauen hocken auf dem Boden rechts und links vom Gewebe.

 Frauen beim Weben am horizontalen Webstuhl (die Kette ist entlang dem Boden gespannt)
Wandgemälde, Ägypten XII Dynastie. Metropolitan Museum of Art New York

In Afrika gibt es heute noch eine Reihe ähnlicher Vorrichtungen. Bei manchen wird die Kette rundgespannt und das fertige Gewebe nach unten gezogen, bei anderen rücken die Weberinnen mit fortschreitender Arbeit weiter zum anderen Ende hin und weben zu zweit. Die Geräte haben denselben Ursprung.

Eingeborene Frau Zentralafrikas beim Weben am horizontalen Webgerät (Foto: Archiv Kircher)

Eine Weiterentwicklung dieser Einrichtung beschreibt Herodot (geb. 484 v. Chr.), der von ägyptischen, senkrecht stehenden Webstühlen erzählt, an denen von unten nach oben, also im sitzen, gewebt würde. Diesem Bericht entsprechende Bilder fanden sich im Grab des Thotnefer in Theben aus der 18. Dynastie (um 1425 v.Chr.). Die Kette wurde hier auch zwischen zwei Querhölzer gespannt, die an einem senkrecht stehenden Rahmen verankert waren. Dieser "Hochwebstuhl" war übersichtlicher als das horizontale Gerät, es konnten auch breite Stoffe damit gewebt werden, jedoch auch hier nur in begrenzter Länge.

Hoch stehender Ägyptischer Webstuhl. Wandmalerei aus dem Grab des Thotnefer, aus der 18. Dynastie
Theben. (ca. 1425 v. Chr.) (Foto Uni. Diaverlag)

Ob der Hochwebstuhl durch die Römer auch nach Mitteleuropa kam ist nicht belegt. Man kann aus den wenigen, leider stark zerstörten Abbildungen entnehmen, daß die Römer diesen ägyptischen Hochwebstuhl kannten. Er ist in Mitteleuropa seit langem für die Bildweberei in Gebrauch.                                        Diese beiden Urwebgeräte reichten nicht aus für die Entstehung des Trittwebstuhles, dazu mußte eine dritte Idee stoßen. Das dritte Webgerät kam aus Asien. Die Araber bzw. Mauren, die über Nordafrika bis nach Spanien wanderten, brachten es vom Süden her, die Slawen, wahrscheinlich über Byzanz (heute Istanbul) von Osten her im frühen Mittelalter nach Europa.
Welcher Einfluß der größere war und in welcher Form diese Webvorrichtung bis nach Europa kam, ist noch nicht ausreichend geklärt. Klosterfrauen am Hochwebstuhl. Wandteppich (Ausschnitt) gewebt im Kloster z. Hl. Grabe, Bamberg, um
1490 - 1500. Domschatz Bamberg (Foto: Bildarchiv Marburg)
Über die Entwicklung der asiatischen und orientalischen Webkultur ist nur wenig bekannt. Die Chinesen stellten schon im Altertum Seidenstoffe in reichhaltiger Musterung her, die über die "Seidenstraße" durch ganz Zentralasien bis zum Mittelmeer und weiter nach Rom transportiert wurden. Die Herstellung des Materials Seide und ihre Verarbeitung blieb jedoch über viele Jahrhunderte das streng gehütete Geheimnis der Chinesen. Die Atlasbindung und die damit mögliche großflächige, ornamentale Musterung hat dort ihren Ursprung.
Der Einfluß dieser, aus dem fernen Osten kommenden, Webereien war groß, vor allem auf die östlichen Mittelmeerländer. Dort entwickelten sich schon in antiker Zeit in einigen Städten Webzentren, die mit ihren Produkten handelten, sie auch exportierten. Man weiß von Stoffen aus dem Altertum in Ornamentmusterung, wie sie in Europa noch lange nicht hergestellt werden konnten, aber über die verwendeten Webgeräte ist nichts überliefert.
Das asiatische Webgerät, der Lendenwebstuhl, wirkt auf den ersten Blick primitiver als die beiden vorangegangenen. Die Spannfäden wurden an einen Stab geknotet, der mit einem Gürtel um die Lenden des Webenden befestigt war und am anderen Ende irgendwo gebündelt angehängt wurde. Die notwendige Spannung wurde mit dem Körper hergestellt. 

Weberin mit dem Lendenwebstuhl, Ysarog/Philippinen 1872. Aus Globus Jahrgang 1873

Man saß auf dem Boden und hatte das Gewebe dicht vor sich. Es waren höchstens Schulterbreite Streifen zu weben möglich, dafür im Gegensatz zu den vorgenannten Geräten Stücke von beliebiger Länge.In der Inselwelt Ostasiens findet man den Lendenwebstuhl heute noch. Bei seiner Wanderung nach Westen wurde er schon weiter ausgebaut. Bis in den vorderen Orient gibt es verschiedenste Webgeräte, deren Ursprung auf diese Urform zurück zu führen ist.