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Von hessischer Schafhaltung
und dem Wollhandel bis ins 18. Jahrhundert
Die Vorgeschichte
Schafwolle ist ein wichtiges textiles Rohmaterial, das seit vorgeschichtlicher Zeit zur Stoffherstellung gebraucht wurde. Seit wann genau, läßt sich nicht feststellen, doch bestimmt seit Ende des Neolitikums, verstärkt in der Bronzezeit.
Schafe gehörten mit zu den ersten Tieren, die der Mensch an sich band. Es sind Herdentiere, leicht zu domestizieren und anspruchslos bezüglich ihres Futters. Wie das Wildschaf ursprünglich aussah, ist nicht genau bekannt denn es gibt unzählige verschiedene Schafrassen auf der Welt, die alle durch Züchtung über Jahrtausende hin mehr oder weniger verändert wurden.
Die jungsteinzeitlichen Schafe, die zunächst des Fleisches wegen gehalten wurden, hatten ein kurzes, zottiges Vlies auf dem Rücken, bestehend aus mehr oder weniger feinen, weichen Unterhaaren, durchsetzt mit etwas längeren, grannigen Oberhaaren, im ganzen nicht dicht und in verschiedenen braun- bis hellen Farbtönen. Gewonnen wurde die Wolle zunächst durch ausraufen, dann auskämmen zur Zeit des natürlichen Haarwechsels. Erst später begann man, einmal im Jahr das gesamte Vlies abzuscheren.
Seit Urzeiten versuchten die Menschen, die Eigenschaften ihres gezähmten Tierbestandes durch gezielte Kreuzungen zu verändern. Nachdem die Wolle als Rohstoff entdeckt war, züchtete man auch Schafe mit dem Ziel, die Wollqualität und deren Menge zu verbessern, später dann zusätzlich, die Farbe weiß im Vlies zu dominieren. An dieser Aufgabe, kreuzen und selektieren, arbeiteten die Hirtenvölker über Jahrtausende.
Das Ergebnis war bei den verschiedenen Schafrassen sehr unterschiedlich.

Die ersten Hirtenstämme kamen wahrscheinlich aus den weiten Steppengebieten Mittelasiens, der heutigen Mongolei. Die Schafzucht weitete sich von da nach Südwesten aus, über Kleinasien bis zur Nordküste Afrikas. Die ältesten, bisher gefundenen Wollgewebereste kommen aus Ägypten (um 3500 v. Chr.).
Im Verlauf der Übergangszeit von Jungsteinzeit zur Bronzezeit - vermutlich zwischen 3500 - 2500 v. Chr. - kam das "Langhaarschaf", das inzwischen neben Fleisch auch Wolle lieferte, von Vorderasien über den Balkan bis nach Mitteleuropa. Doch der genaue Zeitpunkt und die Umstände sind bisher noch unklar. Hier sind die ältesten Reste wollener Bekleidung bei Ausgrabungen von Gräberfeldern aus der Hallstattzeit (800 v. Chr.) geborgen worden.

Seit dem zweiten Jahrtausend v. Chr. entwickelte sich im östlichen Mittelmeerraum ein Handel mit Wolle, Zentren entstanden in Anatolien, Syrien, Palästina und Phönicien bis Ägypten. Später, im antiken Griechenland, war Schafzucht eine wichtige Lebensgrundlage. Die homerischen Herrscher - Menelaos, Agamemnon oder Odysseus als Beispiel - waren Hirtenkönige. Auch in den frühen Mythen über die Gründung Roms durch Romulus und Remus werden die beiden als Schafhirten bezeichnet. Spätestens seit Alexander dem Großen wurde der Wollhandel dann im ganzen Mittelmeerraum betrieben. Kleinasiatische Städte wie Sardes und Milet werden in diesem Zusammenhang als wichtige Umschlagplätze genannt.
In der Bibel sind Hirten - gemeint sind Schäfer - vielfach erwähnt. So tadelt der Prophet Ezechiel in seinem Klagelied über die syrische Stadt Tyros die treulosen Hirten an, die sich mit der Wolle der Schafe kleiden und das Fleisch essen, doch das Wohlergehen der Tiere außer acht lassen; wobei er auch von der Bedeutung des Wollhandels zwischen Tyros und Damaskus spricht.

Im 14. Jahrhundert gelang den Spaniern die Züchtung der weißen Merinos mit ihrem dichten Vlies und den gleichmäßig feinen, langen Fasern. Diese Tiere wurde dann zur Basis für die Zucht von vielen der heutigen Wollschafrassen in der ganzen Welt - nach einigen Kämpfen, denn die Ausfuhr der Merinos aus Spanien war zunächst bei Todesstrafe verboten.

Die Schafhaltung
Die Schafe wurden in der, im Mittelalter extensiv betriebenen, Landwirtschaft gehalten, um das weniger fruchtbare Land und den unbestellten Boden als Futterflächen zu nutzen. Das Land als solches gehörte dem Adel und Klerus, doch die Bauern und Städter besaßen Nutzungsrechte in bestimmter Höhe, auch für diese Weidegebiete.
Die Schafe wurden seit alters her in Herden von unterschiedlicher Größe gehalten, Schäfer konnte eine bestimmte Anzahl, max. 200 - 300 Muttertiere, betreuen. Sie weideten immer auf nicht eingezäunten Flächen und mußten daher vom Schäfer "zusammengehalten" werden. Weidemöglichkeiten gab es reichlich, die Tiere hielten das Unland und die Brachen, die Raine, Triften und Feldwege sauber. Sie fraßen alles, was das Großvieh stehen ließ. Die Aufgabe des Schäfers war es, darauf zu achten, daß die Tiere auf dem zugestandenen Areal weideten und nicht in die Wiesen oder bebaute Felder ausbrachen. In welcher Zeit sich die Form der Hüte-Schafhaltung in Deutschland herausgebildet hat, ist nicht nachweisbar, doch den Beruf des Schäfers gab es bereits im Mittelalter.

Schafhalter waren zum wichtigen Teil Klöster und Landgrafen, selbst der Landesfürst besaß einige Schafherden, aber auch Bauern und Kleinbauern sowie städtische Handwerkerfamilien, (die im Mittelalter bis in die Neuzeit hinein auch Kleinlandwirte waren und Nutzungsrechte für Hutungen besaßen) zu deren Pflicht es sogar zeitweilig gehörte, einige Schafe zu halten. Die kleinen Gruppen oder einzelne Tiere von Bauern, Kleinbauern und städtischen Familien wurden in Sammelherden zusammengefaßt.

Die Schafhaltung war schon im Mittelalter gesetzlich stark reglementiert. In dieser Zeit war jede Familie angehalten, Schafe zu halten und sich an den Kosten für den Schäfer zu beteiligen, zunächst als Muß-, später als Kann-Verpflichtung, doch war die Einzelschafhaltung nicht erlaubt. In der "Dillenburger Schäferordnung" aus dem 15. und 16. Jahrhundert heißt es zum Beispiel:
Gesetz von 1492: ... In Dillenburg soll niemand über 50 Schafe halten; er sei Hofmann (Höfling), Schäfer oder ein Gemeiner (Gemeinderat).
Sollen alle in einer Herde getrieben werden... Sollen nicht auf Wiesen oder Wasen hüten ... von März bis etwa Pfingsten mögen Schafe, welche Junge haben, in einer besonderen Herde getrieben werden.

Die Tiere lebten von Frühjahr bis in den späten Herbst hinein draußen in den Hutungen, beaufsichtigt vom Schäfer, den die Schafhalter einer Gemeinde gemeinsam anzustellen und zu bezahlen hatten. Der Schäfer bekam seinen Lohn teils in Naturalien, teils in Geld, jeweils pro Hüteschaf, er war berechtigt, selbst ein paar eigene Tiere halten. Für die Anstellung als Schäfer mußten spezielle Kenntnisse nachgewiesen werden, denn die Gesundheitsfürsorge der Herde oblag dem Hüter. Bestimmte, jährlich abgesprochene Weidegebiete innerhalb der Gemeinde standen ihm zur Verfügung. Nachts pferchte er die Schafe in einem Kral ein - zum Schutz vor Raubzeug - und schlief selbst in seinem Karren in der Nähe des Pferchs. Der Standort des Pferchs wurde jeden Tag gewechselt, denn jede Nacht hinterließen die Schafe eine gute Düngung, was die Bauern für Felder und Wiesen nutzten. Die Gemeinden, bzw. bei den Bauern jeder Schafhalter hatte darauf sein Recht, darüber gab es Absprachen mit dem Schäfer. Das Holz für den Pferch mußte von allen gestellt werden, doch niemand durfte diesen unbefugt versetzen. Alles dies war gesetzlich geregelt.

Der Beruf des Schäfers war einsam. Acht Monate im Jahr blieb er Tag und Nacht um seine Schafe, als Helfer ein paar Hunde. Er war, selbst bei gutem Wissen, Knecht vieler Bauern, gehörte keiner Gemeinschaft an und lebte im Winter mehr oder weniger geduldet und dürftig, wobei ihm auch in dieser Zeit die Obhut der Schafe oblag. Die Schafe wiederum waren so kurz bei der Besitzerfamilie, daß diese nur wenig Beziehung zu den Tieren aufbauen konnte. Entsprechend gering standen Schafe im Ansehen bei Bauern und Schafhalter, doch um so mehr liebte sie ihr Hirte.

Einige Male im Frühjahr brauchte der Schäfer die Hilfe der Schafeigner:
Als erstes, um die Schafe zu waschen. Die Wolle sollte grundsätzlich vor der Schur schon am Schaf gewaschen werden, um sie vom gröbsten Schmutz zu befreien. Dazu wurde die Herde zum nächsten Fluß oder Bach gebracht und dort, an günstiger Stelle, eines nach dem anderen in das Wasser getrieben, wo die Männer die Tiere so gut wie möglich wuschen.
Als nächstes traf man sich zur Schur; in einer Schönwetterperiode, wenn die Vliese der Schafe vollständig trocken waren. Bei großen Herden war es üblich, daß ein Trupp von Scherern diese Arbeit bewerkstelligte, doch meist war es der Schäfer selbst, der das eigentliche Scheren besorgte, doch dazu brauchte er Zubringer für die Schafe und Leute, die die Wolle abräumten und versorgten.

Die Schafschur, unbekannter Künstler, Holzschnitt 1583

Und schließlich traf man im Frühjahr sich noch zum Hammelschnitt der jungen Lämmern. Dabei wurden die Bocklämmer, die nicht zur Zucht dienten, kastriert. Alle übrigen Arbeiten zur Gesundheitspflege der Schafe besorgte der Schäfer im Laufe der Weideperiode alleine.
Im Winter kamen die Schafe in den Stall ihres Besitzers. Sie durften lediglich zur täglichen Tränkung nach draußen gebracht werden, da sie sonst Schaden durch abbeißen der Rinde an Bäumen und Gehölzen anrichten konnten. Arme Schafhalter waren berechtigt, im Sommer "Schaflaub" fürs Winterfutter zu sammeln.

Groß war die Angst vor Schafkrankheiten, die sich bei dieser Art Tierhaltung besonders leicht ausbreiten konnten und die unter Umständen den Viehbestand des ganzen Ortes vernichtete; dagegen war man hilflos. Die Schafe und auch die Winterställe wurden deshalb von "Schafbeschauern" regelmäßig kontrolliert.
Gesetz von 1586: ... Durch Einbringen unreinen Viehes von anderen Orten wird Viehsterben, Blattern und Räutigkeit der Schafe verursacht. Es soll daher niemand Rind-, Schaf- oder anderes Vieh ... in die Flecken oder Dörfer treiben viel weniger unter ... die Herde bringen, er habe dann glaubhafte Kunde vorgebracht, daß solches Vieh in sich selbst gesund und aus einer gesunden Herde gekauft sei. 

Schafe, die aus anderen Gemeinden gekauft wurden, mußten also einer Gesundheitsprüfung unterzogen werden, der Käufer haftete für allen Schaden, wenn durch sein Schaf eine Krankheiten eingeschleppt wurde.
Das Durchziehen fremder Herden über die Weidegebiete einer Gemeinde war in den meisten Fällen zwar erlaubt, doch mußten solche Schäfer erst Beweise erbringen, daß ihre Herde frei von Seuchen ist. Waren Schafe krank oder entsprachen nicht dem Standard, wurde die Herde konfisziert, um das Eindringen der Krankheit in die eigenen Viehbestände zu verhindern.

Hessen war ein Land mit viel Schafzucht, genaue Zahlen der gehaltenen Schafe in den verschiedenen Landesteilen liegen jedoch nicht vor. Mit Viehzählungen versuchte man zwar staatlicherseits zu ermitteln, wie viele Schafe im Land gehalten werden, doch sind die Zahlen ungenau, denn die Herden der Landgrafen und Vögte wurden nicht mitgezählt. Diese widersetzten sich in der Regel der Zählung ihrer Schafe, was nicht geahndet wurde, da sie ohnehin keine Steuern pro Tier zu bezahlen hatten wie die bäuerlichen und bürgerlichen Schafhalter. Auch ist nicht sicher, ob die Bauern die Anzahl ihrer Tiere immer richtig angaben. Die von der Landesherrschaft seit dem 16. Jahrhundert aufgestellten Statistiken orientierten sich ausschließlich am Wollverkauf ins Ausland.

Die Schafzucht und Wollverwertung, Miniatur aus dem Très piles Heures de paldo, Limbourg um 1420

Um ein etwaiges Bild zu geben, werden hier trotzdem ein paar Zahlen genannt. Vor dem 30jährigen Krieg war die Anzahl der gehaltenen Schafe am höchsten, es gab wesentlich mehr Schafe als Einwohner.
Bei den Kasseler Ämtern wurden 1624 über 30 000 Tiere registriert, schon bis 1639 hatte sich die Anzahl auf weniger als 2000 dezimiert. Im und nach dem Krieg herrschte also großer Mangel an Wolle, doch schon um 1660 hatte man wieder die Hälfte der Wollproduktion wie vor dem Krieg erreicht.
Inzwischen war die Landwirtschaft fortgeschritten, mehr Land wurde beackert, so daß die für die Schafe vorgesehenen Hutungen immer kleiner wurden. Die Schafhaltung ging in der Folge im ganzen immer weiter zurück. Dagegen war die, an sich konform gehende, Züchtung besserer Rassen mit mehr Wolle in Hessen nur schleppend, weil den kleinen Schafhaltern das Geld und der Ansporn fehlte, was mit der Steuerpolitik der Landesherren zusammenhing. Systematische Züchtung wurde im wesentlichen nur bei großen, landgräflichen Herden betrieben, die dann auch das Hauptkontingent der exportierten Wolle stellten.

Der Wollverkauf
Der Verkauf der Rohwolle war noch mehr als alles andere mit Gesetzen geregelt, die alle Schafhalter einzuhalten hatten, auch die Herrschaftlichen. Die Rohwolle unterlag einer prüfenden Beschau- und Wiegepflicht durch das zuständige Rentamt der Kreisstätte, wo auch der Jahrespreis festgelegt wurde:

"Es sollen auch die Schäfer und andere, so Schafe halten und Wolle verkaufen, die Schafe vor der Schur sauber waschen und gute Kaufmannswaren und keine untüchtige (verkotete und kurze) Wolle einbinden, sondern allerlei Betrug und Gefährde hierin, bei unnachlässiger Strafe unterlassen. Auf den Märkten ist alle Wolle, so der Untertan oder Bediente gezogen, und die er nicht in eigener Haushaltung braucht, unfehlbar und bei Strafe der Konfiszierung zu bringen und zum Verkauf aufzustellen ..."

Die Wolle wurde in Kleudt oder Kleuder gehandelt. Das Gewicht der Kleuder war unterschiedlich in den Ländern. Ein Kleudt in Kassel wog 21 Pfund, in Siegen 19 Pfund, in Dillenburg oder Herborn 24 Pfund. Für Heimberg (Hessen Nassau) wird angegeben, daß 15 Schafe oder 12 Hämmel einen Kleudt Wolle auf die Waage bringen sollen.
Das Verkaufsgut kam an bestimmten Tagen auf städtischen Märkten (oder von Lagerschuppen) zum Verkauf und mußte zunächst den heimischen Tuchmachern und Wollwebern angeboten werden. Erst wenn diese ihren Bedarf gedeckt hatten war es erlaubt, den Rest auswärtigen Händlern und Aufkäufern, die einen "Wollpass", also genehmigte Legitimation besaßen, anzubieten. Vor Jakobi durfte keine Wolle ausgeführt werden. Auch hier variieren die Gesetze der einzelnen Hessischen Lande zwar auch, doch die wesentlichen Punkte sind übereinstimmend, so daß hier einmal Auszüge aus dem "Weisthum der Gesetze, Ordnungen und Vorschriften, welche in die Nassauische Teutsche Länder, Ottoische Linie, von den ältesten Zeiten bis hierher ergangen sind" aufgezeigt werden, die vom Jahr 1525 an erlassen und in den folgenden Jahrhunderten bestätigt und immer wieder ergänzt wurden:

1525"Verkauf der Wolle und Wegbringung außer Land verboten. Die Wolle soll auf Lagerstätten oder Märkten binnen Landes (im Inland) verkauft werden."
1571: "Vor Jakobi sollen weder in- noch ausländische Vorkäufer Wolle oder gesponnenes Garn ohne höchste Erlaubnis kaufen. Alle Wolle, so im Lande verkauft wird, soll in den nächstgelegenen Städten und Flecken mit hierzu geordnetem herrschaftlichen Gewicht ausgewogen und geliefert werden."
1586: "Da zum Nachteil der Wollenweber und Tuchmacher die Wolle durch Ausländer sehr aufgekauft und aus dem Land geführt worden, so soll der Verordnung der Grafen Wilhelm von 1536, welche hierauf von Grafen Johann 1586 bestätigt, nachgegangen werden. Wenn also ein Untertan Wolle, deren sei wenig oder viel, zu verkaufen hätte, darf derselbe nicht fremden und ausländischen Vorkäufern seine Wolle mit besonderen Pakten versprechen, (ihm) dieselbe zu Kauf zukommen lassen ... noch von einem Ausländischen, wer der auch sei, wenig oder viel Geld aufnehmen, lehnen oder borgen. Wenn sie aber aus unvermeidlicher Notdurft je Geld auf ihre Wolle aufnehmen müssen, mögen sie bei eingesessenen Tuchmachern und Wollhändlern solches Geld auf die (kommende) Rechnung ... entlehnen und aufnehmen. Würde hiergegen gehandelt werden und ein Ausländer heimlich mit Untertanen einen dergleichen Vorkauf der Wolle treiben, so sollen beide Teile darum ernstlich angesehen und sowohl die Wolle als das Geld konfisziert werden.
Damit inländische Tuchmacher und Wollhändler nicht hieraus Anlaß nehmen, durch Geldvorstreckung die Untertanen zu lüderlichem Kauf zu drängen, oder dieselbe in ihren Nöten stecken lassen, so sollen Rentmeister und Schultheisen, mit Zutun etlicher ehrbarer Sachverständiger, alle Jahre um Pfingsten auf einen benannten Tag, zwischen den Wollverkäufern und Käufern, einen gebührlichen, ehrbaren, billigen und gleichmäßigen Wollenanschlag (Preis) nach Beschaffenheit des Jahres, Wetters, Winters, Sommers, Heuwachs, Kauf und Lauf, auch Güte der Wolle, bei ihrem Eide bestimmen, wie jedes Kleudt Wolle, Kaufmannsgut, gekauft und verkauft werden solle...
Würden dann die eingesessenen Wollenweber und Tuchmacher im jetzt gedachten Wert zu ihrer Notdurft mit Wolle gefaßt gemacht und darüber noch mehr Wolle, deren sie nicht begehren, oder nicht bezahlen oder versichern (bürgen) können, vorhanden wäre, alsdann und nicht eher, soll den Wollkäufern und Händlern, welche sich zuvor dazu legitimiert, und, wie seit alters, vom Landesherrn den Wollhandel schriftlich erlangt, und die Bewilligung vorzuzeigen haben, erlaubt sein, die übrige Wolle zu ihrem Vorteil einzukaufen, doch dergestalt, daß sie die aufgekaufte Wolle vor Jakobstag nicht außer Land führen, sondern den eingesessenen Wollenwebern und Tuchmachern, welche die zu ihrem Handwerke benötigte Wolle noch nicht aufgekauft haben, auf Verlangen in gebührendem billigen Werte zukommen lassen...
Wer aber mit einzelnen Pfunden, von einem bis zu sechs, Wolle zu verkaufen hat, dem soll dieselbe auch außer den verordneten Wiegestätten, doch mit aufrichtigem Gewichte, richtig zu wiegen und zu liefern gestattet sein. Will aber jemand seine Wolle selbst verspinnen und zu Garn machen lassen, so ist es ihm unbenommen, doch wenn er solches Garn nicht selbst verarbeiten lassen wollte, soll er solches nicht außer Landes verkaufen, sondern den eingesessenen Wollwebern, um die Gebühr bei unnachlässiger Strafe überlassen."

Trotz der Schwierigkeiten, die den Aufkäufern und Händlern aus den Ausland, vor allem den Niederlanden, aber auch aus den deutschen Nachbarländern, beim Einkauf von Wolle gemacht wurde, war der Exportanteil der Rohwolle groß. Diese Wollausfuhr gehörte zeitweise zur besten Einnahmequelle des Landes. Deshalb waren die Fürsten vorsichtig mit allzu rigiden Gesetzen zum Schutz des örtlichen Wollgewerbes. Um 1580 nahm Wilhelms IV. Zum Beispiel Stellung auf eine Eingabe der Eschweger Tuchhändler: "wollt man den Handel stopfen, wissen wir nicht, wo von die Leut Rent und Zins sollen bezahlen. Fast allein Wolle und Schäferei bringen Geld in das Land." Doch auch der Staat verdient am Außenhandel, denn es wird auf jedes Kleuder Wolle mehrere Albus Zoll erhoben. Ein Schema schreibt den Beamten vor, wie sie die außer Landes gehandelte und die an die örtlichen Weber abgegebene Wolle zu verzeichnen hatten. Auf Verstöße waren drakonische Strafen angesetzt.
Als sich die Zahlungsschwierigkeiten der kleinen Tuchmacher in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vergrößerten und das Verkaufssystem sich immer mehr ausweitete, regelten Absprachen zwischen den Nachbarländern den etwas großzügigeren Umgang mit dem Gesetz. Auch war den Schafhaltern erlaubt, zu einem ihnen genehmen Markt zu gehen, bzw. ihre Wolle auch an verschiedenen Märkten anzubieten. An den Marktagen blieb den örtlichen Weber, Hutmacher und Strumpfwirker ihr Vorkaufsrecht nur noch bis zwei Uhr Mittags vorbehalten, ab dann war erlaubt, die Wolle gegen Barzahlung an auswärtige Händler zu verkaufen. Nur die Einschränkung, daß bei Strafe alle Wolle zu diesen Märkten angeboten werden mußte, schränkte die Schafhalter noch ein. Inzwischen hatte sich ohnehin herauskristallisiert, daß die Exportware vor allem von den großen und herrschaftlichen Herden gestellt wurde, die eine qualitativ bessere Wolle liefern konnten, während der kleine Tuchhändler sich mit den minderen Wollen der kleinen, bäuerlichen Halter begnügen mußte.
Literaturauswahl
Neuhaus, Wilhelm, Hersfelder Tuch, Hersfeld 1950
Dascher, Ottfried, Das Textilgewerbe in Hessen-Kassel vom 16. Bis 19. Jahrh. Marburg 1968
Weisthum der Gesetze, Ordnungen und Vorschriften, von den ältesten Zeiten bis hierher... Hadamar 1803
Deutsche Schäfereizeitung, Stuttgart, div. Jahrgänge