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Die
Baumwolle
Anbau und Verarbeitung heute |
Die Baumwolle ist heute
die wichtigste Gespinstfaser, die mehr als die Hälfte
des Bedarfs an textilen Rohstoffen auf der ganzen Welt
deckt. Das älteste Anbauland ist Asien, vermutlich
Hindustan.
Bekannt war die Baumwolle schon in der Antike, genutzt
wurde sie zunächst in Indien und im vorderen Orient,
wo um diese Zeit bereits ein Textilgewerbe bestand und
mit Stoffen gehandelt wurde. Über Byzanz bekamen die
Griechen und dann die Römer als erstes Kenntnis von
diesem Material.
Im 13. Jahrhundert begannen dann auch Italiener und
Spanier, die Rohbaumwolle zur Verarbeitung im eigenen
Land einzuführen. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts
fand die Faser, über Mailand und Venedig, dann auch
Eingang in Deutschland, zunächst Augsburg, wo die
Familie Fugger als erstes begann, Baumwolle zu
verarbeiten. Die ersten indischen, bedruckten,
hochwertigen Baumwollstoffe kamen über England und die
Niederlande seit Beginn des 17. Jahrhunderts nach
hier.
Zunächst setzte ein erbitterter Kampf gegen das neue
Material und die Stoffe von Seiten der Woll- und
Leinweber ein, so daß es sogar zu einigen
Einfuhrverboten kam. Doch der hohe Preis der in
mühevoller Handarbeit bearbeiteten neuen Gewebe hemmte
ohnehin eine große Verbreitung. Der eigentliche
Aufschwung der Baumwolle erfolgte erst im 19.
Jahrhundert, als mit der Mechanisierung der
Textilindustrie die Voraussetzungen für die
Verarbeitung dieses, in Handarbeit schwierig zu
bearbeitenden Rohstoffes gegeben waren.
Die Baumwollpflanze, lat. Gossypium, gehört
botanisch zu den Malvengewächsen, (Malvaceen) und ist
mit unserer Stockrose verwandt. Es gibt vielerlei
Baumwollarten. Die am häufigsten kultivierten Sorten
sind
einjährige, krautartige Stauden von bis zu 1 m Höhe,
sowie zweijährige Sträucher, die 1 - 2 m hoch werden.
Seltener sind die mehrjährigen baumartigen Pflanzen,
die bis zu 6 m Höhe erreichen können. Wegen der
vielfältigen Varianten an Baumwollpflanzen, die im
Laufe von Jahrhunderten entwickelt wurden und immer
noch gezüchtet werden, ist eine genaue Spezifizierung
der Arten schwierig. Man unterscheidet daher im
wesentlichen nach dem Land, in dem sie wachsen.
Die Baumwollpflanzen brauchen zum gedeihen viel Sonne,
eine gleichmäßige Wärme von 18 - 28° C und
Feuchtigkeit während der ganzen Vegetationszeit,
Bedingungen, wie sie nur im tropischen und
subtropischen Klima erfüllt werden. Küstenregionen
sind besonders geeignet, wobei die Pflanze bei
regelbarer Bewässerung - wie dies beispielsweise im
Nilgebiet, dem Sudan und Ägypten der Fall ist - besser
gedeiht als in reinen Trockenkulturen, die auf Regen
angewiesen sind. Die Anbaugebiete erstrecken sich in
Nordamerika bis zum 38°, im Süden Europas bis zum 45°
nördlicher Breite und in Südamerika und Afrika bis zum
20° südlicher Breite. Zudem braucht die Pflanze einen
nährstoffreichen, sandigen Boden, der bei einer
längeren Anbauperioden ohne Fruchtwechsel allerdings
völlig versandet, d.h. ausgelaugt wird und versteppt,
wie es im mittleren Südwesten der USA der Fall ist. |
Die Baumwolle für den
Weltmarkt wird heute im wesentlichen in
Plantagenkulturen und mit einjährigen, buschartigen
Sorten angebaut. Das "Baumwolljahr" beginnt mit der
Bodenbearbeitung (pflügen, eggen und dem ziehen von 30
cm tiefen Furchen) und dem anschließenden Säen, je
nach den Witterungsverhältnissen in den einzelnen
Ländern der nördlichen Hemisphäre, zwischen Februar
und April, wenn keine Nachtfröste mehr zu befürchten
sind. Auf der südlichen Halbkugel der Erde
entsprechend in den späten Herbstmonaten.
Sechs bis acht Tage nach der Aussaat gehen die
Pflanzen auf. Haben sie eine Höhe von 30 cm erreicht,
sprießen Zweige, an denen sich Blätter und Blüten
ansetzen. Je nach klimatischen Verhältnissen beginnt
die Blütezeit 75 - 100 Tage nach der Aussaat.
Baumwollblüten sind Eintagsblüten, deren Knospen etwa
drei bis vier Wochen zum Aufblühen brauchen. Dann
öffnet sich frühmorgens eine gelblich weiße Blüte, die
sich nachmittags schon wieder schließt und beim
Abblühen rötlich färbt; am nächsten Tag fällt sie ab.
Aus den befruchteten Blüten entwickelt sich dann
innerhalb weiterer 50 - 65 Tage walnußgroße Früchte.
Jede Fruchtkapsel enthält drei bis fünf Kammern mit je
2 - 6 erbsengroßen Samenkörnern, umhüllt von bis zu
1700 langen Samenhaaren. Diese Samenhaare, die
Baumwolle also, haben eine Länge zwischen 30 und 60
mm, je nach Güte; je länger dieser Stapel und je
feiner die Haare, um so wertvoller die Baumwolle. Zur
Reifezeit springen die einzelnen Kammern auf, so daß
die weißen Fasern herausquellen Die Blütezeit jeder
Pflanze und damit auch die Reife der einzelnen
Fruchtkapseln zieht sich über etwa drei Monate hin. |
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aufgesprungene Kapsel |
Baumwollblüte |
Die unterschiedliche
Reife der Früchte an jeder Baumwollpflanze birgt für
die Ernte einige Probleme. Weniger, weil sie sich über
80 bis 100 Tage hinzieht, sondern weil selektiv
gepflückt werden muß. Unreife Baumwolle mindert die
Qualität der Partie erheblich, weil sich diese Fasern
später schlecht bearbeiten lassen. Früher erfolgte das
"Picking" der Baumwolle ausschließlich von Hand.
Mehrmals während der Erntezeit gingen die Pflücker und
Pflückerinnen durch die Felder und nahmen (pickten)
d.h. sie drehten die Fasernbüschel vorsichtig mit den
Fingern aus den aufgesprungenen Kapseln. Dabei mußte
beachtet werden, daß keine Kapselteilchen mitgerissen
wurden. Ein guter Pflücker konnte an einem Tag, je
nach den Umständen, etwa 80 kg Rohbaumwolle
einsammeln, das sind bei 4 g Fasern pro Kapsel
insgesamt 20 000 Stück. Der Verunreinigungsgrad lag
bei 1,5 %. Diese Handpicking-Methode ist auch heute
noch die schonendste und beste Art der Ernte, weil nur
wirklich reife Baumwolle gepflückt wird. Sie ist
jedoch auch die Zeitaufwendigste. Daher wird sie nur
noch für hochwertiges Material eingesetzt.
Schneller ist das "Snap" Verfahren; es ist ebenfalls
Handarbeit. Mit Lederhandschuhen ausgerüstet, streifen
die Pflücker die Baumwolle schnell und weniger
schonend von den Kapseln ab, wobei auch
Verunreinigungen mitgerissen werden (5 %), doch wird
der Reifegrad der Früchte beachtet. Die Methode wird
eingesetzt, wenn nicht mit Erntemaschinen, sei es aus
welchen Gründen, gearbeitet werden kann.
Beim "Sled" Verfahren wird ein Vförmiger
Kastenschlitten aus Holz mit Pferden durch die Felder
gezogen, von dem die Kapseln abgedrückt werden.
Hierbei kann ein Sledpflücker bis zu 1500 kg pro Tag
einbringen, jedoch mit einem Verunreinigungsgrad von
15 %.
Eine vierte Möglichkeit ist das maschinelle Pflücken,
die Kapseln werden dabei z. B. mit einer Vakuumpumpe
ausgesaugt, doch es gibt inzwischen auch andere
Vorrichtungen, es führt zu weit, sie hier zu
beschreiben. Bei allen mechanischen Methoden ist der
Nachteil gegenüber der Handpflückerei, daß zu viele
Blätter, Äste, Kapselteile und auch unreife Baumwolle
mitgerissen werden. Trotz all dieser Probleme wird die
Baumwolle heute im wesentlichen mit Maschinen
geerntet.
Der nächste Arbeitsgang ist das Entkernen der
Baumwolle. Früher war das mühsame Handarbeit, die mit
einem Stein gemacht wurde. Die Tagesleistung betrug
etwa ein halbes Kilo verspinnbarer Fasern. Der Anteil
der Fasern sind 30 % : 70 % an Kernen von
Rohbaumwolle, Verunreinigungen nicht gerechnet.
Heute geschieht das Egrenieren, (entkernen) der
Rohbaumwolle maschinell, wobei unterschiedliche
Methoden angewandt werden. Im Jahre 1792 erfand ein
Amerikaner, Ely Withney, eine Egreniermaschine, wobei
mit Sägeblättern die Fasern von den Kernen gerissen
wurden. Damit waren zum erstenmal die Voraussetzungen
gegeben, Baumwolle zu einem erschwinglichen Preis zu
verarbeiten. Da etwa gleichzeitig in England die
ersten Spinnmaschinen erfunden wurden, die sich zum
Verspinnen gerade von Baumwolle eigneten, und zu
Beginn des 19. Jahrhunderts zudem die ersten
mechanischen Webstühle in Betrieb kamen, begann damit
der Aufschwung dieses Materials, das, wie bereits
gesagt, bis dahin teures Luxusgut war.
Die Baumwolle wird nach dem Entkernen für den
Versand mittels Preßschrauben zu großen, fast
steinharten, viereckigen Ballen gepreßt, deren Gewicht
etwa schwankt je nach dem Ursprungsland, aus dem sie
kommen. Ein amerikanischer Ballen wiegt zum Beispiel
230 kg, ein indischer Ballen 180 kg und ein
ägyptischer Ballen bringt 340 kg auf die Waage. Die
Kerne enthalten ein wertvolles Öl, das durch zersägen
und zerquetschen, kochen und anschließendem auspressen
derselben gewonnen wird.
Die Baumwollballen werden zu den großen
Baumwollmärkten verschickt, wo sie bis zum Verkauf
lagern. Einige dieser Haupthandelsplätze sind: in der
USA New York, New Orleans oder Charleston; für
Ostindien: Bombay, Kalkutta und Madras; für Ägypten:
Alexandria; für Europa: als größter und wichtigster
ist Liverpool zu nennen, außerdem Rotterdam und Le
Havre; in Deutschland wird die Rohbaumwolle in Bremen
auf der Baumwollbörse gehandelt. Der Verkauf erfolgt
nach festgesetzten, vertraglich anerkannten
Börsenbedingungen der Vertragspartner; das sind die
Verkäufer, Baumwollhändler und Baumwollspinnereien.
Die Baumwollarten werden nach Ländern eingeteilt.
Entsprechend den vielen Sorten ist auch die Qualität
der Baumwollfasern sehr unterschiedlich. Beurteilt
werden die Länge und Gleichmäßigkeit des Stapels, die
Feinheit und Festigkeit der Fasern und der Grad der
Verunreinigung. Die hochwertigste, feinste Baumwolle
kommt aus Ägypten mit seidigem Glanz, einer
Stapellänge von 5 - 6 cm und gelblicher Farbe. In der
USA wachsen gute bis mittlere Sorten, die besten in
Louisiana, während im europäischen Süden, in
Griechenland, Italien und Spanien, nur mittlere
Qualitäten gedeihen. In Asien wachsen unterschiedliche
Arten, so in Manila und Singapur gute, in Madras
mittlere und Bengal geringwertige Sorten. Die
westindische Baumwolle kommt aus Mittelamerika und ist
gutes Material, fest, mittellang und rein. Das als
kleine Auswahl.
Sind die Baumwollfasern entkernt, sind sie im
Prinzip sofort verspinnbar. Zur Zeit, als mit der
Spindel gesponnen wurde, gebrauchte man noch einen
Bogen, um die Fasern vorher etwas aufzulockern.
Zum Auflockern, reinigen und Spinnen werden heute
Maschinen benutzt. Die Baumwolle kommt auf einen
Ballenbrecher, die aufgebrochenen Flocken in einen
Mischraum; anschließend werden sie über Förderbänder
in Trommeln und Kammern durch Aufwirbeln mit
Schlagwerkzeugen und Gebläsen gereinigt und weiter
aufgelockert, bis sie durch Kardenwalzen laufen und zu
einem gleichmäßigen breiten Band abgelegt werden, das
wiederum, erneut gekämmt und mehrfach geteilt, das
Vorgarn für den eigentlichen Faden ergibt, der dann
durch weiteres Ausziehen und Drehen an der
Spinnmaschine fertig gestellt wird.
Die Baumwolle ist leicht zu veredeln, nicht nur,
indem sie gefärbt wird. Durch Mercerisieren, behandeln
mit Natronlauge (benannt nach dem Erfinder John Mercer,
der 1844 erstmals die Methode anwandte) bekommt das
Baumwollgarn einen seidigen Glanz und die Farben
wirken leuchtender. Zu Stoffen gewebt oder gewirkt
wird es für die unterschiedlichsten Zwecke, denn
Baumwolle ist nicht nur hautverträglich, haltbar,
weich und flexibel, sie ist zudem einfach und steril
zu waschen. So werden daraus beispielsweise
Handtücher, Tisch- und Bettwäsche, strapazierfähige
Arbeitskleidung oder leichte Kleiderstoffe gewebt,
auch Trikot- und Leibwäsche wird nach wie vor
bevorzugt aus Baumwolle hergestellt. Auch im Zeitalter
der Chemiefaser benutzt jeder von uns Textiles aus
dieser Faser, die die Natur uns liefert. |
Literaturauswahl:
Autorenkollektiv, Textile Faserstoffe,
Leipzig1967
Baumgarten, Hermine, Textile Rohstoffe und ihre
Verarbeitung, München 1950
Richter, Wilhelm, Culturpflanzen und ihre
Bedeutung für das wirtschaftliche Leben. Leipzig 1890
Schlichting, Marcus, Die Baumwolle aus: Erd-
und Völkerkunde, Leipzig 1874
Schuster, Karl, Die Rohstoffe für die
Textilindustrie, Stuttgart 1953
Wagner, Erich, Die textilen Rohstoffe, Natur-
und Chemiefaserstoffe, Wuppertal 1964
Windeck-Schulze, Karin, Faserstoffe,
Frankfurt/M 1940 |
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