Ein wichtiges Gestaltungselement
in der Weberei ist die Farbe. Durch Farbe bekommen die
meisten Stoffe, sei's für Kleidung oder für Haustextilien
, eine starke Ausdruckskraft. Die Materialien, die aus
Naturrohstoffen gewonnen werden können - Schafwolle, Leinen,
Hanf, Baumwolle, Seide und viele andere mehr - haben schon
eine natürliche Farbe, meist ein gelblich/graues Weiß.
Schafwolle kann auch grau bis braun sein, in vielen Abstufungen.
Diese Farbtöne sind schön, doch sie reichen für unser
Bedürfnis nach Farbe nicht aus.
Um Textilien zu färben - als Rohstoff, Garn oder fertiges
Gewebe - ist ein geeignetes Färbemittel notwendig, das
die Natur liefern kann, zumindest in einem gewissen Ausmaß.
Hier soll nicht über die Textilfärberei der chemischen
Industrie gesprochen werden, sondern vom Färben mit Pflanzenfarben.
In vielen Pflanzen sind Kräfte verborgen, die uns eine
neue Welt erschließen können, die Welt der Farbe. Über
Jahrhunderte haben die Menschen ihre Textilien ausschließlich
mit Pflanzen gefärbt, war die Farbe etwas kostbaren, oft
schwer erreichbares.
Zum Färben von textilen Naturmaterialien stehen in der
Pflanzenwelt Wurzeln, Rinden, Flechten, Blättern u.a.
zur Verfügung. Die Farben sind von intensiver Leuchtkraft,
dabei nie grell. Allerdings läßt sich nicht jedes Material
gleich gut färben, da die Farbe von den einzelnen Rohstoffen
unterschiedlich angenommen wird. So ist die Schafwolle
am aufnahmefähigsten für die Farbsubstanzen, hier gibt
es eine Fülle von Möglichkeiten in unserer einheimischen
Pflanzenwelt. Baumwolle dagegen reagiert im wesentlichen
nur auf die tropische Farbhölzer als Färbemittel, auch
bei Seide ist die Auswahl eingeschränkt. Damit soll gesagt
werden, daß jede Rohfaser in eigener Weise behandelt werden
muß, um eine dauerhafte und qualitativ gute Farbe zu bekommen.
Beschränken wir uns hier auf Schafwolle, die sowohl
als Rohwolle wie auch im gesponnenen Zustand gefärbt werden
kann. Wie gesagt, hier gibt es eine Fülle von Möglichkeiten.
Nun sind es nicht die leuchtend farbigen Blüten oder die
Beeren, die unsere Hände einfärben, die den Farbstoff
in sich tragen, sondern die eher unscheinbaren, gar nicht
so vielfarbigen, grünen Blätter, Wurzeln, Rinden usw.
Nur wenige Gelbblütler bzw. gelbe Blüten färben auch gelb.
Die am häufigsten erreichten Farben sind gelb, olivgrün
und braun. Mit den meisten Blättern der Bäume, die wir
als Edel- oder Bunthölzer kennen wie Birke, Erle, Esche,
Walnuß, Kastanie u. a. auch Kräuter wie Rainfarn, Ginster,
Heidekraut, Kerbel, Frauenmantel und Wau bzw. gelbe Reseda
(das wichtigste Färbemittel für gelb im Mittelalter).
Oder Sträucher und Büsche wie Himbeer- und Brombeertriebe
oder Berberitze, Kreuzdorn; alle sind für Gelbtöne geeignet.
Jede Pflanze (oder Pflanzenteil) dieser Palette, die wir
auch als Heilpflanzen kennen, erzeugt einen anderen Gelbton,
von wachsgelb bis orangegelb, von olivgelb bis braungelb,
mehr oder weniger hell. Alle Farben können noch abgewandelt
werden zu olivgrün bis braun oder rotbraun bis ocker.
Mit der inneren Rinde vieler Bäume wie Birke, Erle, Eiche
oder Faulbaum lassen sich schöne Farben im Rostrot-, Braun-
und Graubereich erreichen.
Um ein dauerhaftes, reines und leuchtendes Rot zu bekommen,
ist die Auswahl in der Natur nur klein. Am wichtigsten
ist hier die Wurzel der Färberröte, Rubia tinctoria, dem
Krapp. Die Wurzeln werden nach dem Ernten kleingehackt
und getrocknet, dann erst färben sie. Krapp ist eine mediterane
Pflanze, sie wurde in früheren Jahrhunderten jedoch auch
hier angebaut. Heute kommt sie aus den Mittelmeerländern.
In Mitteleuropa wächst nur noch ein Kraut, das aus der
selben Familie wie Krapp kommt und dessen Wurzeln auch
ein Rot ergeben, das Labkraut. Die Wurzeln enthalten jedoch
weit weniger Farbstoff als Krapp, um ein Rot zu färben,
sind viele Wurzeln nötig, die Pflanze war früher deshalb
nicht praktikabel.
Für eine weinrote Farbe braucht man ein Mittel aus
dem Tierreich. Heute ist das die Cochenille, eine Schildlaus,
die auf Kakteen lebt. Ursprünglich kommt Cochenille, der
coccus cacti, aus Südamerika, man kennt es hier seit der
Entdeckung des amerikanischen Kontinents und begann dann
auch in Südeuropa, diese Schildläuse zu kultivieren. Auf
der Insel Mallorca z.B. lebten die Bauern früher von der
Cochenille. Man kann damit vom bläulichen Rot und purpurot
bis hellrosa eine ganze Palette von Tönen färben, außerdem,
in Verbindung mit blau auch violett.
Früher hatte man zum Färben von weinroten Tönen den Kermes.
Auch hier handelt es sich um eine Schildlaus, die auf
den südeuropäischen Stecheichen lebt. Kermes wurde als
Färbemittel seit der Antike genutzt, wurde dann aber,
nach Bekanntwerden der Cochenille, von dieser abgelöst
und geriet nahezu in Vergessenheit.
Das edelste und kostbarste Färbemittel der Antike war
jedoch die Farbe Purpur, die von der Purpurschnecke gewonnen
wurde. Diese Schneckenarten lebten im Mittelmeer, jede
hatte nur ein winziges Tröpfchen dieser Substanz, die
zum Färben gewonnen wurde. So waren Mengen der Schnecken
nötig, um auch nur ein Gramm dieses Farbstoffes zu bekommen.
Mit dem Untergang des römischen Reiches ging auch das
Wissen um diese Färbetechnik verloren.
Zur Aufbereitung zum Färben werden die Pflanzenteile
meistens in viel Wasser ausgekocht. In dem Sud wird die
Wolle dann eine Stunde und länger kochend gefärbt. Bei
richtiger Behandlung verfilzt die Wolle nicht.
In der Regel braucht es mindestens die gleiche Menge an
getrockneten Pflanzen wie Wolle, die gefärbt werden soll.
Ausnahmen gibt es wenige, ein Beispiel ist Cochenille,
weil sehr konzentriert, oder Krapp, mit dem helle Farben
mit weniger Farbstoff zu erreichen sind.
Um die Farbpikmente, die in den Pflanzen (und den Schildläusen)
enthalten sind, dauerhaft aufnehmen zu können, braucht
die Schafwolle eine Vermittlersubstanz, die Beize. Das
sind mineralische Salze wie Alaun, Weinstein, Kupfer-
und Eisensulfate oder Pottasche usw. die als Zusatz vor,
mit oder nach dem eigentlichen Färbvorgang gebraucht werden.
Mit diesen Beizmitteln kann die Farbe auch verändert werden,
je nachdem, welches und wie das Beizmittel eingesetzt
wird.
Eine Ausnahme aller dieser Regeln ist die Farbe Blau.
Blau als Farbsubstanz ist in Europa nur im Waid enthalten.
Der Färberwaid , Isitas tinctoria, ist eine Pflanze aus
der Familie der Kreuzblütler und wächst nur im Mittelmeerraum
wild, wurde jedoch auch in Mitteleuropa angebaut. Waid
war bis ins Mittelalter in Europa der einzige Farbstoff
für Blaufärbungen, wurde dann von Indigo abgelöst.
Indigo wird aus einer suptropischen Pflanze, der Indigoferra
tinctoria, hergestellt. Ursprünglich in Asien beheimatet
(heute auch in Afrika) kam der Farbstoff seit dem Ausbau
der Ostasiatischen Handelswege als Färbemittel auch hier
nach Europa. Die Pflanze färbt nicht direkt, indem man
sie auskocht wie die anderen Pflanzen. Der Farbstoff muß
erst durch einen Gärprozeß gewonnen werden. Dazu legt
man die Pflanzen nach der Ernte für einige Tage in Behälter
mit Wasser bei warmen Temperaturen. Nach wenigen Tagen
beginnt das Ganze zu gären und die Farbpigmente wandeln
sich zu dem sog. Indigoweiß, das gereinigt und dann mit
Sauerstoff in Berührung gebracht wird. Durch Einwirkung
des Sauerstoff wird die Masse zu dem wasserunlöslichen
Farbstoff Indigo umwandelt. Getrocknet und in Form von
Kugeln oder (heute) Pulver kommt der Farbstoff in den
Handel.
Beim Waid mußten die färbenden Pigmente in der selben
Art ausgezogen werden wie bei Indigo, doch brauchte man
wesentlich mehr Pflanzen dazu, auch dauerte der Vergährungsprozeß
länger. So wird verständlich, daß das billigere Indigo
den Waid als Färbemittel verdrängen konnte.
Mit Indigo (und Waid,) wird in der "Küpe" gefärbt (kein
Kochen). Es muß wieder ein chemischer Prozeß stattfinden,
um das Indigo zurück in Indigoweiß zu verwandeln, damit
die Farbpikmente gelöst, und im Wasser der Küpe von der
Textilfaser aufgenommen werden können. Im Farbbad nimmt
das Material eine leicht gelbliche Farbe an, die sich
dann nach dem Herausnehmen, an der Luft unter dem Einfluß
von Sauerstoff, in blau umwandelt. Da sich die Blaufärberei
von allen anderen Färbmethoden unterscheidet, gab es früher
die Blaufärber, (und einige Kunsthandwerker heute noch)
die sich ausschließlich mit diesem Farbstoff beschäftigten.
Indigo und Waid sind die einzigen pflanzlichen Färbemittel,
die von allen Naturfasern aufgenommen werden; sowohl von
den tierischen Fasern wie Schafwolle und Seide, und auch
von den pflanzlichen wie Leinen und Baumwolle.
Das Färben mit Pflanzen ist heute kein wirtschaftlicher
Faktor mehr, auch sind die Farben der chemischen Industrie
schön, reichhaltig und qualitativ sehr gut. Diese Art
zu Färben ist eine Beschäftigung für eigene Erfahrungen
und Versuche. Das Färben mit Pflanzen ist eine faszinierende
Begegnung mit der Farbe und ihrem ungeheuren Nuancenreichtum.
Man beginnt, Farben auf ganz neue Weise zu sehen und auch
die Pflanzenwelt intensiver zu erleben.
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