|
Der Hanf
wichtiges textiles Material bis ins 19.
Jahrhundert |
Hanf ist eine
weitere, hochwertige Stengelfaser neben dem Flachs, etwas
wachsig in der Struktur und wasserabstoßend. Diese Faser
spielte vor allem in der Seilerei eine wichtige Rolle,
sie wurde jedoch schon seit alters her auch zu Stoffen,
z.B. Segeltuch, weniger Kleidung, verarbeitet.
Die Pflanze selbst hat ein völlig anderes Aussehen als
Flachs.
Der Hanf, Cannabis sativa, gehört zu den Hopfengewächsen
und wird, je nach Typ, Bodenbedingungen und Standort,
zwei bis vier Metern hoch. Die Pflanze hat männliche und
weibliche Stengel und Blüten und große, gefiederte Blätter
an den langen ästigen Stielen. Die Früchte sind kleine
Nüsse, die 30 - 35% wertvolles Öl enthalten, das für Ernährung,
medizinischen Zwecke, auch für Seife und Ölfarben gewonnen
wird. Für die Fasergewinnung sind vor allem die weiblichen
Pflanzen wichtig.
Hanfpflanzen gibt es in zwei Haupttypen. Zum einen den
sehr hochgewachsenen Hanf mit guter Faser und wenig Samen,
zum anderen den kleineren, stark verästelten, mit grober
Faser und gutem Samenertrag.
|
|
Der Anbau: Vom Klima her
kann Hanf in Gebieten mit gemäßigtem Klima angebaut werden,
wenngleich er etwas mehr Wärme braucht wie Flachs. Der
Feuchtigkeitsbedarf der Pflanze ist groß, auch Nährstoffe
werden reichlich gebraucht, doch gedeiht die Pflanze in
gutem Boden auch mehrere Jahre hintereinander auf dem
selben Acker. Die Pflanze ist "umweltfreundlich" was heißt,
daß sie keine künstliche Düngung braucht und die Struktur
des Bodens eher verbessert als auslaugt.
Deutschland wurde Hanf vor allem in den Niedermooren angebaut.
Die Aussaat erfolgte Ende April bis Anfang Mai. Die Pflanze
entwickelt sich zu Anfang schon sehr gut und verdrängt
das aufkommende Unkraut weitgehend. Zur Reifezeit wurden
früher zunächst die männlichen Pflanzen vorgeerntet, d.h.
selektiv ausgezogen, der Faserertrag dieses "Femelhanfs"
ist gering. Die eigentliche Ernte der weiblichen Pflanzen
erfolgte vier Wochen später. Bei der heutigen, maschinellen
Ernte kann der Schnitt nur gleichzeitig erfolgen. |
Hanfpflanze
links männliche, rechts weibliche
|
Im Gegensatz zu Flachs wird der Hanf gemäht,
da die untersten Pflanzenteile und die Wurzel nur eine
grobe, minderwertige Faser liefern. |
Die Aufbereitung
der Pflanze und die Gewinnung der Faser erfolgte sehr
ähnlich wie beim Flachs. (Leinen und seine Herstellung).
Zur Zeit der Handbearbeitung wurden die Pflanzen, nach
dem Abriffeln der Samenfrüchte, einer Wasserrotte ausgesetzt,
in einem stehenden oder wenig fließenden Gewässer. Nach
der Rotte erfolgte das Brechen des gut getrockneten Stengelgutes
mit Handbrechen und das Schwingen am Schwingbock oder
mit der Schwingmaschine.
Da die Hanffaser wesentlich härter und steifer ist als
Flachs, müssen alle Geräte zur Bearbeitung sehr stabil
gebaut sein. Der rohe Hanfbast muß zusätzlich noch durch
stoßen, quetschen und reiben "boken" geschmeidig und teilbar
gemacht werden. Das Boken geschieht so lange, bis die
Faser die für das Endprodukt notwendige Weichheit erreicht
hat. Die so gewonnenen Hanffasern haben in der Regel noch
eine Länge von 1 - 3 m, was für den Spinnprozeß zu lang
ist, sie werden in 60 - 70 cm lange Stücke geteilt. Zum
Schluß wird der Hanf gehechelt, was wieder in der selben
Art geschieht wie beim Flachs. Die reife, trockene Hanfpflanze
hat einen Gewichtsanteil von 8 - 15 % gehechelte zum Spinnen
fertige Fasern. Die Farbe der Rohfaser ist ein helles
beigegrau, etwas heller als Flachs.
Der Hanf gehört zu den ältesten Kulturpflanzen der
Welt, seine Heimat ist vermutlich Zentralasien. Da Hanf
sich leicht akklimatisiert, findet er sich in vielen Ländern
in wildwachsender Form. Im alten Mesopotamien, dem Land
um die Flüsse Euphrat und Tigris, heute Irak, wurde Hanf
wohl als erstes planmäßig angebaut, zumindest seit 10
000 Jahren. Auch in China wurden bei Ausgrabungen alter
Bauernsiedlungen Hinweise gefunden, daß die Kleidung der
einfachen Leute in vorgeschichtlicher Zeit aus Hanf war.
Das erste datierte Gewebe wurde zwischen 8000 und 7000
v. Chr. gewebt. Der älteste archäologische Hanffund in
Europa wurde in Eisenberg/Thüringen gefunden und stammt
aus der vorgermanischen Jungsteinzeit, etwa 5500 v. Chr.
Die Verbreitung des Hanf erfolgte wahrscheinlich über
die Skyten, (Skyten = Völker im nördlichen Schwarzmeerraum)
die über den Kaukasus nach Europa kamen. Herodot erwähnt
in seiner Reisebeschreibung den Hanf wie folgt:
|
"Im Skythenland wächst auch
Hanf, eine Pflanze, die abgesehen von der Größe und Dicke
dem Flachs sehr ähnlich ist. Der Hanf ist viel größer
und stärker, er wächst wild, wird aber auch gesät. Die
Traker stellen sogar Kleider daraus her, die den Leinenkleidern
sehr ähnlich sind. Wer den Hanf nicht genau kennt, kann
kaum unterscheiden, ob das Kleid aus Flachs oder Hanf
gesponnen ist. Wer aber auch nie Hanf gesehen hat, wird
es für ein Leinenkleid halten."
|
Seit Beginn
des 7. Jahrhunderts v. Chr. wird Hanf in Südrußland angebaut,
etwas später nördlich des Kaspischen Meers und schließlich
auch vom Schwarzen Meer bis in die Donaugebiete und in
Mitteleuropa. Bis weit ins 19. Jahrhundert spielte Hanf
eine wichtige Rolle. Dann wurde die Faserpflanze von den
synthetischen Gespinnstfasern weitgehend abgelöst, auch
in der Seilerei.
Gegen Ende des 20. Jahrhunderts, mit der Wiederbelebung
der Naturfasern in der Textilindustrie, kam auch für den
Hanf eine Renaissance, gewann diese Pflanze als Fasermaterial
für Kleider- und Dekorationsstoffe wieder an Bedeutung.
So gibt es in Europa, nach einer weitgehenden Pause über
Jahrzehnte, wieder Anbaugebiete für Hanf. In Osteuropa
in Rußland, Rumänien, der Ukraine und Polen, in Westeuropa
in den Niederlanden, Frankreich, England, der Schweiz
und Österreich; seit 1996 auch in Deutschland. Das weltweit
wichtigste Land für den Anbau von Hanf, wo diese Pflanze
seit alters her ohne eine Unterbrechung kultiviert wird,
ist nach wie vor China. Dem folgen ostasiatischen Länder
wie Kambodscha, Laos oder Vietnam, wo man den Hanf in
der Textilindustrie nutzt, teilweise auch für Mischungen
mit Baumwolle, Wolle und Synthetik.
Literaturauswahl:
Katalyse-Institut, Hrg. Hanf & Co. Die Renaissance
der heimischen Faserpflanzen, Göttingen 1996
Autorenkollektiv, Textile Faserstoffe, Leipzig
1962
Baumgarten, Hermine, Textile Rohstoffe und ihre
Verarbeitung, München 1950
Heubach, Helga, Faserpflanzen Flachs/ Hanf/ Nessel,
Begleitheft zur Ausstellung März - Mai 1995
Schuster, Karl, Die Rohstoffe für die Textilindustrie,
Stuttgart 1953
Windeck-Schulze, Karin, Faserstoffe, Frankfurt
1940
|
|
|
|